Der Rhein-Main-Donau-Kanal
aufgeschrieben von Hans Volkert
Den Rhein mit der Donau zu verbinden, war schon über 1000 Jahre der Wunsch europäischer Herrscher. Erstmals befasste sich Karl der Große mit der Herausforderung, die Wasserscheide zwischen Donau und Main durch eine künstliche Wasserstraße zu überwinden. Im
Jahr 793 begann er mit 6 000 Arbeitern mit dem Bau des „Fossa Carolina“, des "Karlsgrabens", zwischen Weißenburg und Treuchtlingen. Nach etwa 1 200 m musste der Herrscher das Projekt wegen Unbilden der Witterung aufgeben.
Auch Napoleon maß - wie Karl der Große - der Verbindung der beiden großen europäischen Flüsse in erster Linie strategische Bedeutung zu.
Tausend Jahre später nach dem Versuch Karls des Großen konnte Ludwig I. von Bayern das ehrgeizige Projekt seines Main-Donau-Kanals zwischen 1836 und 1845 vollenden.
Doch die mit über 100 Schleusen bestückte Schifffahrtsstraße zwischen Bamberg und Kelheim bekam nur allzu bald nach ihrer Inbetriebnahme durch die Eisenbahn eine sehr ernst zu nehmende Konkurrentin.
Aber die Verfechter der Vorzüge einer Wasserstraße gaben sich nicht geschlagen. Am 30. 12. 1921 wurde die Rhein-Main-Donau AG gegründet und mit dem Bau einer neuen Großschifffahrtsstraße beauftragt.
Vertragspartner seinerzeit waren das Deutsche Reich sowie die Länder Bayern und Baden. Allein auf bayerischem Hoheitsgebiet sollten 677 km der Schifffahrtsstraße liegen, beginnend bei Aschaffenburg und nach Passau endend.
In den Folgejahren wurden sowohl der Rhein als auch die Donau - soweit diese noch nicht schiffbar waren - für den Schiffs-Güterverkehr mittels Staustufen ausgebaut.
Im Jahr 1938 als noch die Ausbauarbeiten am Main voll im Gang waren, wurde die Verplanung des Regnitzgebietes bis in unsere Gegend vorangetrieben.
Von jeher standen dem Projekt ebenso viele Befürworter wie Gegner gegenüber. Dass selbst während der Diktatur des 3. Reiches der Kanalbaumaßnahme große Widerstände entgegengebracht wurden, zeigen die damaligen Protokolle zum Planungsverfahren.
Auch der Gemeinderat von Leerstetten musste sich mit dem Bauvorhaben wiederholt befassen, so am 14.12.1938, obgleich unser Gemeindegebiet nicht unmittelbar berührt werdet sollte. Lediglich im äußersten Westen der Harmer Ortsflur drohte verschiedenen Wegen die Durchtrennung. Die seinerzeitigen Gemeindevertreter baten darum, die abgeschnittenen Wege möglichst günstig im Sinne der Landwirtschaft wieder zu verknüpfen.
Ähnliches Schicksal sollten auch verschiedene Forststraßen im ausmärkischen Bezirk der "Soos" ereilen. Deshalb forderte seinerzeit die Forstbehörde zwischen Kanal-km 84,9 und 84.0 einen Verbindungsweg östlich der Kanaltrasse herzustellen.
Wie aus dem provisorischen Trassierungsplan von damals eindeutig hervorgeht, sollte der Rhein-Main-Donau-Kanal zwischen Hagershof und Rednitzhembach verlaufen und etwa der heutigen Bundesstraße 2a bis vor Roth folgen. Dort, wo sich heute der Kanal und die Bundesstraße am nächsten kommen, streben die damals geplante und die verwirklichte Trasse auseinander.
Aufgrund der Planungsarbeiten vor 1938 wurde die Kanaltrasse auch zwischen Leerstetten und Schaftnach abgesteckt. Einige Schaftnacher Bauern begannen bereits kurz nach der Planung mit der Rodung im abgemarkten Baubereich.
Doch die Ereignisse des 2. Weltkriegs ließen das Kanalprojekt jäh in Vergessenheit geraten. Nach der weltweiten kriegerischen Auseinandersetzung war man zunächst mit der Behebung der kolossalen Kriegsschäden beschäftigt. Als aber 1949 die Gründung der Bundesrepublik erfolgte, wurden mit dem sogenannten Zwischenvertrag vom 9.9.1949 und später mit dem sogenannten Duisburger Vertrag v. 16.9.1966 die neuen Grundlagen für den Weiterbau des bis in die jüngste Zeit umstrittenen Projekts geschaffen.
Im Gegensatz zu den bescheidenen Ausmaßen des alten Kanals weist die neue Wasserstraße mit ihrem trapezförmigen Querschnitt folgende imposante Maße auf:
Wasserspiegelbreite 55 m
Fahrrinnenbreite: 40 m
Wassertiefe d. Kanalsohle: 4,25 m,
Wassertiefe am Böschungsfuß: 4,00 m
Böschungsneigung: 1 : 3.
Anstelle der von Pferden gezogenen Lastkähne auf dem Ludwigs-Main-Kanal verkehren auf der RMD-Wasserstraße Schiffe mit 1 350 t Tragfähigkeit und andere zweigliedrige Schubverbände.
Dass die erwähnten Ausmaße des Bauwerks erhebliche Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung hatten, stand außer Zweifel.
Von der ganzen Kanalstrecke ab Nürnberger Hafen bis zur Schleuse Leerstetten liegt etwa die Hälfte "im Auftrag" und die andere Hälfte im Einschnitt. Die höchste Dammkrone mit ca. 12 m liegt über der Schwarzach bei Neuses und der tiefste Einschnitt bei der Autobahnüberführung mit 13 m nahe Greuth.
Gegen die ab 1970 eingeleiteten Beweis- und Planungsfeststellungsverfahren, die von ihren Ausmaßen her ein Vielfaches des früher durchgeführten Verfahrens ausmachten, erhoben auch viele Grundstückseigentümer aus unserer Gemeinde Widersprüche. Diesmal wurde freilich unser Gemeindegebiet auf eine längere Strecke direkt betroffen als bei der ersten Planung.
Die von den Bauern im Wesentlichen vorgebrachten Bedenken richteten sich vor allem gegen die befürchtete Beeinträchtigung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke infolge nachteiliger Veränderung des Grundwasserspiegels und gegen das Abschneiden der Zufahrtswege zu den landwirtschaftlichen Grundstücken.
Einige Bauern forderten auch, die neue Verbindungsstraße Harm - Rednitzhembach teilweise entlang der Kanaltrasse zu verlegen, damit eine ungünstige Durchschneidung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke vermieden werde. Vorher war schon klar, dass die Verwirklichung eines solchen Bauwerks längere Bewirtschaftungswege zur Folge haben würde.
Aufgrund des Beweissicherungsverfahrens vom 27.2.1974 wurden entlang der Kanaltrasse und in Brunnen 18 Grundwasser-Beobachtungsrohre eingebaut, um den Grundwasserpegel alle 14 Tage bis zum 3. Jahr nach der "Bespannung" registrieren zu können und so gegen Entschädigungsansprüche gewappnet zu sein.
Darüber hinaus wurde der Bauträger verpflichtet, für die landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Grundstücke „Pflanzen-soziologische Bestandsaufnahmen“ zu erstellen.
Um die Umgestaltung des Landschaftsbildes durch die Wasserstraße möglichst gering zu halten, erging die Vorschrift, die neue Kanalstrecke einschließlich ihrer Bauten so zu formen und zu gestalten, dass sie sich in die Natur gut einfügen.
Der Träger des Vorhabens hatte auch auf seine Kosten einen Landschaftsgestalter hinzuzuziehen. Letztlich sollte auch zum Zwecke der Erholung den Radfahrern und Fußgängern das Befahren und Betreten der Uferzonen gestattet werden.
Durch die Kanalbaumaßnahme bedingt, musste auch der Verlauf des Hembachs verlegt und zum Teil begradigt werden. Das am Ende der Ausbaustrecke des Hembachs gelegene Brücklein auf dem Weg zwischen Hagershof und Oberfichtenmühle sowie das anschließende Bachbett mussten ebenfalls den veränderten Abflussverhältnissen angepasst werden. Während verschiedene kleine Gräben, z.B. der Lachgraben bei Kanal-km 82.410 in den Kanal eingeleitet werden, finden der Hembach und der Entenbach aus Harm mit Hilfe eines Dükers ihren Weg unter der Kanalsohle hindurch.
Der RMD-Kanal durchschneidet an vielen Stellen die Leitungen der überörtlichen Versorgungsträger. So unterquert die Fürther Fernwasserleitung bei Kanal-km 77.280 die Wasserstraße.
Trotz der erheblichen Sicherheitsvorkehrungen nahm im März 1979 am Schnittpunkt dieser Fernwasserleitung oberhalb Katzwang infolge eines Dammbruchs eine Überschwemmungskatastrophe ihren Anfang.
Wegen der nunmehr längeren Strecke nach Schwabach erhob der damalige Gemeinderat von Leerstetten am 18.8.1971 gegen den neuen Verlauf der RH 2 um Schaftnach herum seine Bedenken.
Ebenfalls war er mit dem Überführen der Verbindungsstraße Harm - Rednitzhembach zunächst nicht einverstanden. Erst in langwierigen Verhandlungen mit dem Bauträger konnte eine Einigung in diesem Punkt erzielt werden.
Die Kanalstrecke von Nürnberg nach Kelheim, in der insgesamt 9 Schleusen notwendig sind, beträgt 99 km. Der Höhenunterschied von 93,5 m von Nürnberg bis zum 35 km entfernten Scheitelpunkt (406 m ü. NN) wird durch 4 Schleusen bewältigt. Eine davon ist die Schleuse von Leerstetten mit einer Hubhöhe von 24,67 m. Das eigentliche Bauwerk dieser Schleuse beginnt bei Kanal-km 84.443. Die nutzbare Schleusenlänge beträgt 190 m, ihre Breite 12 m. Um beim Schleusen Wasser zu sparen, sind dem Bauwerk 3 Sparbecken an der Westseite angegliedert. Am Schleusenunterhaupt finden wir auch eine Bootsrampe.
Baustellen solchen Ausmaßes ziehen ohne Zweifel auch wasserwirtschaftliche Auswirkungen nach sich. Trotz der Verdichtung des Kanalbetts mit einer wasserundurchlässigen Asphaltschicht kann der Wasserverlust durch Schleusungen und Verdunstung nicht über natürliche Zuflüsse ausreichend gedeckt werden. Der Schifffahrtsstraße müssen daher aus der Donau und der Altmühl maximal 14 cbm/s zugepumpt werden. Ferner wird der Kanal für eine Wasserüberleitung aus der Donau in die Regnitz benutzt. Mit der übergeleiteten Wassermenge von 21 cbm/s soll die Niedrigwasserführung der Regnitz aufgebessert werden. Das über die Südrampe hochgepumpte Wasser kann, sofern für die Regnitz kein Bedarf besteht, in ein eigens dafür errichtetes Speicherbecken, den Rothsee, abgeleitet werden.
Schließlich wurden am Kanal Auslaufbauwerke zur Verbesserung des Niedrigwassers der Rednitz errichtet. Eines davon befindet sich am Hembach mit einer Abgabeleistung von 2,5 cbm/s und eines an der Schwarzach bei Neuses, neuerdings zum Antrieb eines Generators umfunktioniert, mit einem Abgabevermögen von 5,5 cbm/s.
Wie die Fläche eines großen Tellers sieht der zwischen Kanal-km 81.543 und 82.064 angelegte Schiffswendeplatz von 100 m Durchmesser zwischen Rednitzhembach und Harm aus.
Am 27. 9. 1985 fand die Einweihung des Kanal-Teilstücks zwischen der Haltung Nürnberg-Süd und der Lände Roth in Anwesenheit des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß statt.
Da die Wasserstraße mehrere Male die Gemeindegrenze zwischen Rednitzhembach und Leerstetten durchschnitt, fand vor einigen Jahren eine Regulierung der Gemeindegrenzen in diesem Bereich statt.
Mit der Verordnung vom 10.12.1986 konnte die Großschifffahrtsstraße zwischen der Haltung Nürnberg-Süd und der Lände in Roth zur Bundeswasserstraße erklärt werden
Ob der RMD-Kanal zu den erhoffen kostengünstigen Verkehrsträgern wird, müssen erst die künftigen Jahre beweisen. Trotz den nicht zu übersehenden erheblichen Eingriffen in die Natur kann aber jetzt schon festgestellt werden, dass durch den RMD-Kanal der Freizeitwert unserer Umgebung sehr gestiegen ist.
Die Einweihung des gesamten Kanals fand am 25.09.1992 durch den damaligen Ministerpräsident Max Streibl statt.
Bildernachweis:
Hans Volkert:
"Überbleibsel" des Karlsgrabens bei Weißenburg / Treuchtlingen / Graben.
Hans Volkert:
Wandzeichnungen und Schautafeln erinnern an die enormen Anstrengungen in jener Zeit.
Hans Volkert:
"Vergessenes" Kanalbauwerk bei Pyras.
Hans Volkert:
Vorplanung vom 14.12.1938
Der Kanal war zuerst weiter westlich geplant als heute ausgeführt.
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Die fertige Schleuse Leerstetten aus der Luft.
Hans Volkert:
Lageplan der Schleuse Leerstetten.
Hans Volkert:
Planfeststellungsbeschluß der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Würzburg
vom Februar 1975
für die Errichtung des Kreuzungsbauwerks zur Überführung des öffentlichen Feld- und Waldweges Harm - Rednitzhembach.
Hans Volkert:
Schleuse Leerstetten und Brücke für die RH 1.
Hans Volkert:
Beispiel der Neutrassierung von Entwässerungsgräben im Gemeindegebiet.
Hans Volkert:
Der verheerende Dammbruch bei Katzwang vom März 1979.
Hans Volkert:
Der Schiffswendeplatz nahe Rednitzhembach.
Hans Volkert:
Bereinigung des Grenzverlaufs 1988.
Hans Volkert:
Einweihung des Gesamt-Kanals am 25.09.1992.
Hans Volkert:
Einweihung des Gesamt-Kanals am 25.09.1992.
Als Anlage finden Sie den Artikl im Schwabacher Tagblatt vom 23.09.2017: Zur Einweihung kam sogar der Bundespräsident als *.PDF
Für das Internet aufbereitet:
Schwanstetten im September 2017
Alfred J. Köhl