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Ortsteil Furth

Strassenansicht

 

Haus Nr. 10. Gasthof zur Linde

stattlicher zweigeschossiger Satteldachbau, verputzt, bez. 1901. (Fl. Nr. 804)

Hausname: "Gasthof zur Linde"

                    (aber der Gasthof ist leider geschlossen)

Situation: Der giebelständige Gasthof ist ein wenig von der Straße zurückgesetzt, so daß sich vor dem Haus ein kleiner Platz bildet, der von Nachbargebäuden und Sträuchern flankiert wird. Die zweigeschossige, repräsentative Anlage, die sich von der erdgeschossigen Altortarchitektur in Furth abhebt, drückt den Anspruch des Hauses als sozialer Mittelpunkt aus. Das Gebäude ist ein bedeutendes architektonisches, städtebauliches und sozialhistorisches Denkmal. Im westlichen Garten gehört ein großer Backofen zu der historischen Anlage.

 

Datierung: Zwar ist im Urkataster ein Bau an dieser Stelle eingetragen, jedoch mit anderen Dimensionen; er war deutlich kleiner.Katasterplan von 1822

Auf der Innenseite der Haustür befindet sich die Inschrift: 1901 Johann Distler. Die Jahreszahl bezeichnete entweder den Bau- oder den Planungsbeginn. Der Bauplan wurde im März 1901 eingegeben und am 14. Mai genehmigt. Schon am 30. Dez. 1902 wurde der Bau abgenommen. Dem entspricht der Phänotyp und die Konstruktion des Gebäudes. Der Ziegelbau trägt das Gepräge der Jahrhundertwende, wie es die Größe des Baus mit flacherem Satteldach, die großen Geschoßhöhen und Fenster zeigen. Im Inneren weisen die Treppenanlage, die Türen, der Kachelofen der Stube, die historisierenden gußeisernen Trägersäulen und Eisenunterzüge auf die Bauzeit 1901 hin. Der gewölbte Keller unter der Bar zeigt eine Erschließungsänderung die darauf hinweist, daß er aus dem Vorgängergebäude stammt. Er hat einen ursprünglich seitlichen Zugang, der für den Bau des Hauses an den Gewölbekopf verlegt wurde und ist nicht auf dem Bauplan eingetragen. Dagegen ist der jüngere Keller eingetragen.

 

Geschichtlicher Zusammenhang: Der Gasthof wurde von Johann Distler, dem gleichzeitigen Eigentümer von Furth 6 erbaut, der durch seine Bauaktivitäten auch bei dem Haus Furth 6 auffällt. Der Entwurf stammt von dem "Zimmermeister" Johann Götz, der auch die "obere Mühle" in Schwand entwarf und ausführte. Vor Biergarten mit Kastanienbaumdem Haus stand ursprünglich eine Linde, die dem Anwesen den Namen gab und später einen Bergahorn ersetzt worden ist. Vor dem Haus ist auf den älteren Katasterblättern ein kleines quadratisches Bauwerk eingetragen, das ein Denkmal gewesen sein kann. Der Voreigentümer, Matthäus Distler, besaß 2 Wirtshäuser in Furth. Das zweite befand sich am östlichen Ortsausgang.

Im II. Weltkrieg wurde das Obergeschoß und das 2. DG als Kriegsgefangenenlager benutzt, dessen Insassen in Furth als Zwangsarbeiter eingesetzt worden waren.

Zu dem Hof gehört das Recht, die Bullenwiese im Turnus je 1 Jahr zu nutzen.

Baugeschichte: Keller unter dem Ausschank stammt vom Vorgängerbau. 1901 -1903 wurde das Haus erbaut. Gegen 1940 wurde das DG ausgebaut und die Fenster wurden vergittert.

Gegen 1970 wurden die Fenstergitter entfernt und große einflügelige Fenster eingesetzt.

 

Beschreibung: Das zweigeschossige Haus steht auf längsrechteckigem Grundriß und wird giebelseitig, von Süden erschlossen.

Seine repräsentative Architekturform stellt eine Weiterentwicklung der ortstypischen Wohnstalltradition dar. Das bezeugen nicht nur die Ansicht von Nord-Westensichtbare Gliederung in Wohn- bzw. Gast- und Stallbereich und die linksgelagerte Haustür, sondern auch die Abfolge der Räume im Inneren, wobei die großzügige Raumdimensionierung ein Charakteristikum der Entstehungszeit ist.

Die repräsentative, verputzte Fassade wird durch einen einzigen Geschossgurt horizontal gegliedert. Sonst übernimmt diese Aufgabe der Rhythmus der Fenster mit segmentbogigen Stürzen und mit ihrer Anlage, die eigentlich auf zweiflügelige Sprossenfenster ausgelegt ist.

Innen: Das Innere wird von einem linksgelagerten Gang erschlossen, der etwa in halber Gebäudetiefe in einen geräumigen rückwärtigen Stall mit preußischem Kappengewölbe und restlichen Schweineboxen mündet. Auf der rechten Haushälfte ist zunächst die Gaststube mit dem ursprünglichen Kachelofen, der von der rückwärtigen Küche(heute Schankraum) beheizt wird. Von dort wird der kleine, tonnengewölbte Keller erschlossen. Linksseitig ist eine Kammer, heute Küche, auf die der Kühlraum folgt. Zwischen beiden Räumen wird der neuere, größere Keller mit preußischem Kappengewölbe erschlossen. Zum Obergeschoss (OG) kommt man über eine entstehungszeitliche, gegenläufige, hölzerne Podestwangentreppe. Auch hier sind die Räume wie im Erdgeschoss (EG) gegliedert. Der Raum über dem Stall diente als Tanzsaal. Moderne Wohnräume sind hier eingefügt. Das 1. DG wird über eine Fortsetzung der Treppe erschlossen. Es war wohl ursprünglich ein großer Dachraum, in den später Wohnräume eingefügt wurden. Das 2. DG ist heute ebenfalls für die Wohnnutzung ausgebaut.

 

Ausstattungsdetails: Ursprünglich mit Backofen; Kachelofen, Treppenanlage; Decken; Türen; preußischem Kappengewölbe, historisierende gußeiserne Träger.

 

Giebel zur StrasseKonstruktion: Alter Keller: Rundbogentonne, Bruchstein, Erschließung verlegt. Er befand sich ursprünglich wohl neben dem Vorgängergebäude.

Neuer Keller: Wände aus Ziegelmauerwerk, preußisches Kappengewölbe, Boden mit kleinen quadratischen Ziegelfliesen.

Aufgehendes Mauerwerk aus Backstein, verputzt.

Böden: Ehemals in Küche und Flur: Fliesen; Stall mit Estrich; sonst Riemenböden.

Geschoßbildung mit Balkenlagen, z.T. mit Eisenträgern als Unterzüge; Bretterdecken.

Dachstuhl: zweigeschossiger, doppelt stehender Kehlbalkenstuhl, Hölzer überarbeitet, abgeschliffen; ihrer Oberfläche nach waren sie zum Teil rindensichtig, gezapft und stellenweise mit Holznägeln gesichert und stellenweise genagelt. Einige Balken scheinen hier wiederverwendet worden zu sein, wie leere Zapfschlitze und Kerbungen zeigen. Die Sparren sind nicht einsehbar, da der Dachstuhl für Wohnnutzung ausgebaut wurde.

Dachdeckung mit Rundschnittbibern, doppelt.

Türen und Fenster: Die Fenster waren ursprünglich segmentbogige, zweiflügelige Sprossenfenster. Die Türen sind alle entstehungszeitlich, hochrechteckig gefeldert, Kastenschlösser. Der Angelbeschlag der Haustür, bezeichnet mit 1846, muß hier aus dem Vorgängerbau wiederverwendet worden sein.

 

Nutzung: Das Haus wird im EG als Gastwirtschaft mit Biergarten genutzt; der Stall als Abstellraum. 1. OG und DG sind vermietet.

Erhaltungszustand: Keine erkennbare Schäden. Das Gebäude ist in gutem baulichem Zustand.

 

Zu den Wirtshausgeschichten des Hans Volkert

(Besitzer, Gemeinderatsbeschlüsse und sonstiges Wissenswerte)

 

Quelle und Literatur:

Denkmalkartierung von 1995 - Marktgemeinde Schwanstetten, Autor M.A. Hermann Schubach

Denkmäler in Bayern, Bd. 5 - Mittelfr., hrsg. Michael Petzet, München 1986, S. 476

Staatl. Vermessungsamt Schwabach: Grund- und Lagerbuch. Acta der königl. unmittelbaren Steuerkataster-Commission, 1886. Darin enthalten die Aufzeichnungen von 1821 (Schwand), bzw. 1832 (Leerstetten, Harm, Mittelhembach, Furth)

StAN, LRA Schwabach, Bausachen Teil I, Nr. 2877

Abbildungen: im Anhang, auch Baupläne.

Listentext: Haus Nr. 10. Hierzu Fachwerkscheune, bez. 1836. (Fl.Nr. 804)

Diese Fachwerkscheune wurde 1985 in einem genehmigten Verfahren abgebrochen.

 

Weitergehende Informationen finden Sie unter:Literaturverzeichnis

 

Schwanstetten im April 2010, ergänzt im Mai 2023

Alfred J. Köhl

 

Besucher mit Pferdekutsche

Die Gäste sind - stilecht - mit der Pferdekutsche gekommen.