Ortsteil Furth
Haus Nr. 8. Bauernhaus,
erdgeschossiger Sandsteinquaderbau, Giebel Fachwerk verputzt, Segmentbogenfenster, bez. 1857. (Fl.Nr. 814)
Hausname: noch keiner ermittelt
Situation: Das giebelständige, erdgeschossige Haus steht am östlichen Altort von Furth, etwas von der Straße zurückgesetzt. Die ehemalige Hofstelle befindet sich zwischen Straße und Haus. Sie wird nach Osten von einer großen Scheune (mit älterem Kern) begrenzt. Trotz der modernen Umnutzung der Hofstelle zu einem Garten, ist die sozialgeschichtliche, architektionische und volkskundliche Struktur der Anlage erhalten geblieben. Das Gebäude, das in die gewachsene Bebauung Furths gehört, ist ein unverzichtbares, städtebauliches Merkmal Furths. Das Nebengebäude, die Scheune, ist ein städtebauliches und volkskundliches Dokument für die landwirtschaftliche Entwicklung, jedoch ohne hohen städtebaulichen Wert, da die Anlage der Hofstelle dieser überdimensionierten Scheune widerspricht.
Datierung:
Im Sturz der Haustür mit Bauherrn und Renovierungsjahr bezeichnet: J. Seibold 1857. Dem entspricht der Phänotyp des Gebäudes, der sich zwar von der barocken Tradition herleitet, aber bereits von dekorativen Elementen wie Segmentbogenfenstern und giebelseitiger Vortäuschung von Wohnraum im rechten Stallteil zugunsten einer symmetrischen Fassade bestimmt wird. Auch die Innengliederung folgt zwar der Tradition, jedoch deutet die großzügige Anlage von Stube und Küche ebenfalls auf das späte Entstehungsjahr hin. Daneben ist auch das böhmische Gewölbe des Stalls ein sicheres Indiz für die Mitte des 19. Jahrhunderts, wie es auch der doppelt liegende Kehlbalkenstuhl, mit dünnen, weit ausgreifenden Kopf- und Fußbügen, die die Form eines liegenden Kreuzes annehmen, ist. Die Befunduntersuchung wies ältere Gebäudereste im Kern nach; allerdings sind diese spärlich, da das Gebäude 1857 für die grundlegende Nutzungsveränderung wohl nahezu entkernt wurde (siehe unten).
Der Kern der Scheune ist wohl Mitte bis Ende 19. Jahrhunderts nach Nord und Süd verlängert worden.
Geschichtlicher Zusammenhang:
Der Hof mit der alten Flurnummer 812 bildete auf dem Urkataster von 1822 den östlichen Abschluß von Furth. Das auf der Karte sichtbare Vorgängergebäude ist mit einem rückwärtigen Stall eingetragen. An der Stelle der heutigen Scheune ist eine kleinere eingetragen, die der Vorläufer des heutigen Kerns ist. Wie es der hohe Dachstuhl verrät, diente dieser zur Trocknung von Hopfen und Tabak. Die Hofstelle erstreckte sich im 19. Jahrhundert weiter nach Osten.
Östlich der Scheune ist ein Austragshaus eingezeichnet, das sich heute weitgehend überformt darstellt. Es sollte in die Liste aufgenommen werden, wurde jedoch nicht richtig bezeichnet. Ebenso wurde eine zum Austragshaus gehörige Scheune bereits abgerissen.
Baugeschichte:
Im Kern nach Befund vor 1857 erbaut. 1857 Verlegung des Stalls vom rückwärtigen Gebäudeteil auf die rechte Haushälfte; Bestimmung der Fenstergröße und Fensterform; Einbau des böhmischen Gewölbes; Fachwerk im Flur; Verlegung der frontseitig rechten Kammer nach links hinten; Dachstuhl. Die folgende Baugeschichte ist augenscheinlich nicht nachvollziehbar. Es existiert jedoch eine ausführliche Befunduntersuchung.
1984 erfolgte eine ausführliche Sanierung des Hauses.
Beschreibung:
Das Haus wird giebelseitig von der Straße her, aus nördlicher Richtung über eine mittige Haustür erschlossen.
Außen: Das erdgeschossige Satteldachgebäude steht auf längsrechteckigem Grundriß.
Der hohe Giebel und die breite Schleppgaupe verraten die Nutzung des Dachstuhls zur Hopfen und Tabaktrocknung. Die Hauptfassade ist symmetrisch durch Fenster gegliedert. Auf dem unverputzten rückwärtigen Giebel tritt hierzu die Gliederung durch das Fachwerk. Traditionell ist auch die Unterscheidung zwischen den Giebeln durch das Material oder zumindest die Verarbeitung. Der Fachwerkgiebel der Rückseite ist sehr einfach gehalten und kontrastiert den repräsentativen Nordgiebel.
Die Architektursprache der Fassade und der anderen Seiten folgt der Innenraumgliederung nicht ganz. So wird rechts im Erdgeschoß (EG) eine Kammer angegeben, wo sich der Stall befindet. Auch die Stallfenster sind bereits etwas größer als die bei älteren Wohnstallbauten.
Fassadenschmuck: Die Hauptfassade besteht aus verputztem Sandstein, der in den Giebel fortgesetzt wird; Hauptgliederungsmerkmal sind die hochrechteckigen Kreuzstocksprossenfenster mit zweiflügeligen Schlagläden und segmentbogigen Sturz, auf die die Fassade ausgelegt ist.
Das Fachwerk am Scheunengiebel ist vorgeblendet.
Innen: Das Innere, das der barocken Bautradition folgt, wird über einen mittigen Flur erschlossen, der das Haus der Länge nach durchzieht und rückwärtig in eine ehemalige Speis, heute dem Bad, mündet.
Auf der linken Seite befinden sich in traditioneller Reihenfolge: eine zweifenstrige Stube mit rückwärtiger Küche, von der aus der Kachelofen der Stube beheizt wurde. Darauf folgt eine Kammer, die noch heute als Schlafzimmer genutzt wird. Die ganze rechte Haushälfte wurde ursprünglich von einem Stall eingenommen, der mit einem böhmischen Gewölbe ausgestattet ist und heute als Wohnzimmer dient.
Das schon im 19. Jahrhundert ausgebaute Dachgeschoß (DG) wird über eine einläufige, eingestemmte Treppe erschlossen, die heute modern ersetzt ist. Interessant ist hier die Raumverteilung, die durch das böhmische Gewölbe bedingt wird. Da der Dachraum über dem Stall angehoben werden mußte, ist nur die linke Traufseite mit einer frontseitigen und rückwärtigen Kammer ausgebaut. Beide werden über einen Flur erschlossen, in den die Treppe mündet. Die oberen Dachgeschosse dienten zur Trocknung von Tabak und Hopfen.
Ausstattungsdetails:
Konstruktion: Aufgehendes Außenmauerwerk: Sandsteinquader, verputzt.
Nordgiebel (Hauptfassade), Sandsteinquader, verputzt.
Südgiebel: Fachwerk, gebeilt, fränkisches Ständer-Strebensystem, weitgehend saniert.
Aufgehendes Innenmauerwerk: Wände zum Flur Fachwerk, gebeilt, verzapft, gesichert, Gefache mit Bruchstein und Ziegeln gefüllt. Im Bereich des Stalls innen vorgemauert.
Böden: ursprünglich in Küche und Flur mit Kalk- oder Sandsteinfliesen; im sonstigen Wohnbereich mit Dielen- bzw. Riemenböden; Stall mit Lehm oder einfachem Ziegeluntergrund; heute modern überformt.
Decken: In Stube Bohlen-Balken-Decke; im Stall böhmisches Gewölbe; sonst wohl Deckenkonstruktion mit Fehlböden.
Dachstuhl: Hoher, dreigeschossiger Dachstuhl, im 1. DG linksseitig ausgebaut; Fachwerkwände; Gefache mit Ziegeln gefüllt, Holzdecken.
1. DG als doppelt liegender Kehlbalkenstuhl mit weit ausgreifenden Kopf- und Fußbügen, die die Form eines Andreaskreuzes annehmen; 2. DG als doppelt stehender Stuhl und mit breiter Trocknungsschleppgaupe; drittes Dachgeschoss auf Hahnenbalken; Balken gebeilt, verzapft, Holznagelsicherung.
Dachdeckung mit Rundschnittbibern, doppelt.
Türen und Fenster: Türen und Fenster erneuert, Fenster historisierend als Kreuzstocksprossenfenster.
Nutzung: Das Haus wird als Wohnhaus genutzt
Erhaltungszustand: Allgemeines Urteil: Nach erfolgter Sanierung baulich intakt.
Quelle und Literatur:
Denkmalkartierung von 1995 - Marktgemeinde Schwanstetten, Autor M.A. Hermann Schubach
Denkmäler in Bayern, Bd. 5 - Mittelfr., hrsg. Michael Petzet, München 1986, S. 476
Befunduntersuchung im BLfD
Weitergehende Informationen finden Sie unter:Literaturverzeichnis
Schwanstetten im Februar 2010, ergänzt im Juni 2023
Alfred J. Köhl