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Wolfram-von-Eschenbach-Gymnasium Kollegstufenjahrgang 2001/2003 Schwabach

Facharbeit zum Thema:

Strukturveränderungen im ländlichen Raum

am Beispiel der

Marktgemeinde Schwanstetten

Verfasserin: Juliane Kautzsch

Mehrzweckhalle

Inhaltsverzeichnis

Wandel im ländlichen Raum - mehr

Strukturveränderungen in Schwanstetten - mehr

I. Grundsätzliche Informationen zu Schwanstetten

II. Naturräumliche Voraussetzungen im Gemeindegebiet

Situation der beiden Gemeinden nach dem 2 Weltkrieg - mehr

Markt Schwand

a) Historisches

b) Einwohner

c) wirtschaftliche Struktur und Beschäftigungsstruktur

d) Sonstiges

Leerstetten - mehr

a) Historisches

b) Einwohner

c) wirtschaftliche Struktur

d) literarische Beschreibung Leerstettens

e) Sonstiges

Einsetzende Veränderungen der 60-er Jahre - mehr

2. Schwand

a) Attraktivitätsfaktoren der Gemeinde

b) Bevölkerungsentwicklung

c) Beschäftigungsstruktur

d) Infrastrukturelle Maßnahmen

2. Leerstetten - mehr

a) Beginn des Baubooms

b) Bevölkerungsentwicklung

c) infrastrukturelle Maßnahmen

d) Beschäftigungsstruktur

 

Teil 2:

Gebietsreform in den 70-er Jahren - mehr

Die Marktgemeinde Schwanstetten in ihren Anfängen zu Beginn der 80-er Jahre - mehr

1. Entstehung des Gemeindezentrums

2. Infrastruktur zu Beginn der 80-er Jahre

3. Entwicklung der Einwohnerzahlen 17

4. Beschäftigungsstruktur und Hofsterben

5. Erste Anfänge des Gewerbegebietes

6. Ausweisung von Baugebieten

Schwanstetten in den 90-er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts - mehr

1. Infrastruktur

2. Einwohnerzahlen

3. Erwerbsstruktur

4. Gewerbegebiet

5. Baugebiete

6. Freizeitangebote

Zusammenfassung - mehr

Literaturverzeichnis

Wandel im ländlichen Raum

In den letzten 50 Jahren hat sich das Gesicht der Dörfer, ja der ganzen ländlichen Gegend grundlegend gewandelt. Während es bis zum 2. Weltkrieg kaum einschneidende Veränderungen gab, vollzog sich dieser Wandel in den letzten Jahrzehnten mit einer rapiden Geschwindigkeit, insbesondere im Einflussbereich der Großstädte. Mit dem Wirtschaftswunder und dem Wiedererstarken der deutschen Wirtschaft nach dem Krieg boten die Städte ein verlockendes Angebot an Arbeitsplätzen und Freizeitmöglichkeiten. In den ländlichen Gebieten setzte eine Abwanderungsbewegung ein, die Bewohner verließen diese Gebiete und zogen in die Stadt. Mit der zunehmenden Motorisierung, insbesondere der Individualmotorisierung, kehrte sich diese Bewegung jedoch Ende der 60-er und in den 70-er Jahren in der Nähe der großen Ballungsräume wieder um. Wohnraum in den Städten war teuer, außerdem bot das Landleben ein erhebliches Maß an Lebensqualität. Verkehrsanbindungen ermöglichten das Pendeln von einem Wohnort auf dem Land zu einem Arbeitsplatz in der Stadt. Die Einwohnerzahlen auf dem Land stiegen im Zuge dieser Entwicklung, insbesondere in Großstadtnähe, die Zahl der Pendler ebenso. An der Struktur des ländlichen Raumes ist diese Entwicklung nicht spurlos vorübergegangen.. Die Beschäftigungsstruktur auf dem Land veränderte sich stark, viele Bauern gaben ihre Höfe auf, in Form von Gewerbegebieten wurden auch auf dem Land Arbeitsplätze geschaffen. Viele infrastrukturelle Maßnahmen verbesserten die Lebens- und Wohnbedingungen in den Gemeinden. Ehemals kleine Bauerndörfer haben sich zu modernen Gemeinden gewandelt. Dieser Strukturwandel im ländlichen Raum wird im nachfolgenden am Beispiel der Marktgemeinde Schwanstetten nachvollzogen und beleuchtet.

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Strukturveränderungen in Schwanstetten

I. Grundsätzliche Informationen zu Schwanstetten

Die Marktgemeinde Schwanstetten liegt ca. 20 km südlich von Nürnberg und somit im Einflussbereich des Großraumes Nürnberg-Fürth-Erlangen. In je ca. 10 km Entfernung befinden sich die kreisfreie Stadt Schwabach und die Kreisstadt Roth. Schwanstetten entstand im Zuge der Gebietsreform am 1.5.1978 aus der Gemeinde Leerstetten mit den Ortschaften Harm, Furth, Mittelhembach, Hagershof und Holzgut und dem Markt Schwand, zu dem aufgrund des Marktrechtes keine Ortsteile gehörten. Den Schwerpunkt meiner Arbeit bildet die Entwicklung der beiden großen Ortsteile Schwand und Leerstetten, da sich hier der maßgebliche Teil der Veränderungen abspielte. Die ehemaligen Ortsteile von Leerstetten Harm, Furth, Mittelhembach, Hagershof und Holzgut gehören heute ebenfalls zur Gemeinde Schwanstetten, sie haben jedoch ihren dörflichen Charakter weitgehend bewahrt. Lediglich Mittelhembach wuchs im Bauboom der 60er Jahre.

II. Naturräumliche Voraussetzungen im Gemeindegebiet

Im gesamten Gemeindegebiete findet man Sandboden vor. Dieser Boden zeichnet sich zwar durch gute Bearbeitbarkeit aus, doch ist seine Fruchtbarkeit sehr gering, da er eine sehr geringe Kationen-Austauschkapazität besitzt und zu schneller Nährstoffauswaschung neigt. Auch ist er stark temperaturabhängig und hat eine schlechte Wasserhaltefähigkeit, so dass Regenwasser schnell versickert. In Schwanstetten gedeihen aufgrund dieser Voraussetzungen in erster Linie Kartoffeln, Gerste und Mais. Als Sonderkulturen werden Tabak und Spargel angebaut. Schwanstetten ist von dem für die Gegend typischen Kiefernwald, im Volksmund auch „Steckalas-Wald“ genannt, umgeben. Bei den Wäldern um Schwanstetten handelt es sich größtenteils um Bannwald, also um ein Naturschutzgebiet. Nach diesen Vorinformationen gehe ich nun auf die Entwicklung der beiden Gemeinden Schwand und Leerstetten seit dem zweiten Weltkrieg, der späteren Großgemeinde Schwanstetten und die mit der Entwicklung der Orte einhergehenden Strukturveränderungen ein.

 

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Situation der beiden Gemeinden nach dem 2 Weltkrieg

1. Markt Schwand

a) Historisches

Der Markt Schwand wurde im Jahre 1186 erstmals urkundlich erwähnt. Der Name kommt von mittelhochdeutsch „schwenden“, es handelt sich um eines der in dieser Zeit oft entstandenen Rodungsdörfer. Als Wappentier führte Schwand den Schwan im Wappen. Diese Tatsache rührt wahrscheinlich von einem Interpretationsfehler des Ortsnamens her. Im Mittelalter kreuzten sich in Schwand zwei bedeutende Handelsstraßen. Das Gemeindegebiet von Schwand umfasst 1292,03 ha.

b) Einwohner

Im Jahre 1945 gab es in Schwand 895 Einwohner. Der Krieg war auch an diesem kleinen Ort nicht spurlos vorübergegangen: Bereits während des Krieges waren in Schwand Ausgebombte aus Nürnberg, aber auch aus dem Ruhrgebiet und dem Saarland untergebracht. 1946 kam zu diesen Flüchtlingen noch mal ein Strom an Heimatvertrieben aus dem Sudetenland und anderen ehemals zu Deutschland gehörenden Ostgebieten in das überfüllte Dorf, so dass die Einwohnerzahl schlagartig auf 1037 Einwohner anstieg (siehe Grafik 1). 35% dieser Einwohner waren nach 1939 zugezogen, für ein so kleines Dorf ein beträchtlicher Teil. Mit diesem Zustrom ergaben sich auch einige Probleme. Die Vertriebenen fühlten sich oftmals fremd, es bestanden viele Unterschiede zwischen ihnen und den Einheimischen, so beispielsweise in der Konfession.

 

Bevölkerungsentwicklung

Grafik 1: Die Entwicklung der Einwohnerzahlen in Schwand und Leerstetten von 1945 bis 1970

 

c) wirtschaftliche Struktur und Beschäftigungsstruktur

Schwand war schon immer diejenige der beiden Gemeinden mit der solideren wirtschaftlichen Struktur. Schon immer gab es hier eine große Anzahl handwerklicher Betriebe. Trotzdem prägte die Landwirtschaft das Dorfbild: Im Jahre 1946 waren 53,3% der 428 Erwerbstätigen dort beschäftigt (siehe Grafik 2). Es gab jedoch nur sechs große Höfe, die die Landwirtschaft im Vollerwerb betrieben, die restlichen Höfe waren Nebenerwerbsbetriebe. Die Bewohner dieser Höfe gingen entweder zusätzlich einem Handwerk nach, verdingten sich auf den großen Höfen oder fuhren mit dem schon früh verkehrenden Postbus nach Nürnberg, wo sie Arbeit fanden. Insgesamt waren es 61 Betriebe, die ihre Milch ablieferten. Aufgrund der oben bereits beschriebenen, schlechten naturräumlichen Gegebenheiten wurden in erster Linie Mais, Kartoffeln und Gerste angebaut. Sehr gewinnbringend war der Verkauf dieser landwirtschaftlichen Produkte jedoch nicht. Der Anbau und Verkauf der Sonderkulturen Tabak und Spargel brachte mehr Geld ein. Auch die Forstwirtschaft spielte aufgrund des großen Waldvorkommens eine nicht unerhebliche Rolle. An Handwerksbetrieben zur Versorgung des Ortes gab es zwei Schmiede, drei Bäckereien, zwei Schreinereien, zwei Maurer und einen Zimmermann. Die Versorgung der Bevölkerung wurde durch mehrere Lebensmittelgeschäfte sichergestellt. Daneben gab es einen Frisör, damals noch Bader genannt, der auch eine kleine Drogerie betrieb. Bereits zu dieser Zeit gab es einen größeren, zur Industrie zählenden Betrieb, das Sägewerk Baumann mit 36 Arbeitern und 2 Angestellten. Es befand sich am damaligen nördlichen Dorfrand (siehe Karte). Einen Arzt gab es nach dem 2. Weltkrieg nicht in Schwand.

Beschäftigungsstruktur

 

d) Sonstiges

Bis zum Krieg war, mit Ausnahme von 2 Familien, das ganze Dorf evangelisch und hatte eine eigenständige evangelische Pfarrei. 1946 sind 721 Einwohner evangelisch, es kommen jedoch noch 309 katholische dazu. Die katholischen Christen wurden von der Pfarrei Plöckendorf mitbetreut.

Beschreibung

Schulhaus

Mit der Ankunft der Vertriebenen wurde der bisher benutzte Betsaal in der Oberfichtenmühle zu klein, so dass am 1.4.1953 die erste, später wieder abgerissene, katholische Kirche „Heiligste Dreifaltigkeit“ eingeweiht wurde. Für die Ausbildung der Schwander Kinder gab es ein eigenes Schwander Schulhaus. Auch Kinder aus Harm und Mittelhembach besuchten aufgrund der Nähe zu Schwand diese Schule, obwohl die Orte eigentlich zu Leerstetten gehörten. Ebenso kamen aus den heute zu anderen Gemeinden gehörenden Orten Meckenlohe und Harrlach Kinder nach Schwand zur Schule.

 

 

 

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2. Leerstetten

a) Historisches

Leerstetten wurde 1194 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ortsname, der von „Larenstetten“ abgeleitet ist, lässt jedoch darauf schließen, dass es auf der einst „leeren Stätte“ bereits um 1050 eine Ansiedlung gab. Zur Gemeinde Leerstetten gehören die Ortsteile Harm, Furth, Mittelhembach, Hagershof und Holzgut. Das Leerstetter Gemeindegebiet umfasst ca. 2072 ha.

b) Einwohner

Nach dem Krieg gab es in Leerstetten 568 Einwohner, von denen 26 % nach 1939 zugezogen waren. Auch in Leerstetten waren also Flüchtlinge und Heimatvertriebene untergebracht, jedoch nicht in dem Ausmaß wie in Schwand. Solch große zahlenmäßigen Veränderungen der Einwohnerzahlen wie in Schwand gab es zu jener Zeit in Leerstetten nicht: In den Jahren zwischen 1946 und 1960 schwankten die Einwohnerzahlen immer um die 650 Einwohner (siehe Grafik 1).

c) wirtschaftliche Struktur

Die Haupteinnahmequelle in Leerstetten war die Landwirtschaft. Es gab keine größeren Betriebe und nur einige wenige Handwerksbetriebe: einen Zimmermann, einen Schmied, einen Wagner, einen Schuster und einen Bäcker. Auf eine Anfrage des Landratsamtes Schwabach nach Industriebetrieben von 1946 antwortete die Gemeinde mit „Fehlanzeige“. Leerstetten war daher schon immer ärmer und infrastrukturell nicht so gut ausgestattet wie Schwand.

Elisabeth Engelhardt (siehe 2.d) schreibt dazu: „Geld schlug schon immer einen großen Bogen um dieses Dorf. Nur die Not hüpfte am Fensterbrett, jahraus, jahrein.“

Leerstetten war also in noch größerem Maße von der Landwirtschaft geprägt als Schwand. Von den insgesamt 353 Erwerbstätigen waren 88,3% in der Landwirtschaft beschäftigt (siehe Grafik 2). 1949 gab es 82 land- und forstwirtschaftliche Betriebe auf dem Gemeindegebiet. Durch diese starke Abhängigkeit von der Landwirtschaft wurde die wirtschaftliche Lage der Gemeinde von vielen naturbedingten Faktoren mitbestimmt: Schädlinge, wie Borkenkäfer, Kiefernspanner oder Nonne fielen immer wieder in die Wälder ein und zerstörten große Flächen. Der Ertrag der Getreide- und Tabakfelder ist stark wetterabhängig, frühe Wintereinbrüche, Schlechtwetter- oder Dürreperioden im Sommer oder plötzlich auftretende Unwetter konnten die Ernte vernichten, so dass „die Plage vergeblich war, weil der Himmel nicht mitspielte“. Auch Viehseuchen, die Schweine- oder Rinderbestände hinwegrafften, traten immer wieder auf und vergrößerten das Elend. Doch selbst wenn die Bewohner vor diesem ganzen Unheil verschont blieben, war das Landleben zu dieser Zeit kein Zuckerschlecken: Die Arbeit war hart, Maschinen wurden erst nach und nach, und oft nach jahrelangem Sparen, angeschafft, 15 Stunden Arbeit am Tag waren keine Seltenheit.

d) Beschreibung Leerstettens in der Literatur

Nach dem 2. Weltkrieg war Leerstetten also eine kleine Gemeinde, eine „Landgemeinde wie seit Jahrhunderten“. Der fränkische Schriftsteller Karl Burkhart, der seine Kindheit in Leerstetten verbrachte, schreibt über das Leerstetten seiner Kindertage in einem Brief von 1963 an seinen Herausgeber folgendes:

„Ich habe das weltentlegene Dorf Leerstetten so sehr geliebt. Den Geruch seiner Tabakfelder und Hopfengärten, seinen flammenden Ginster, den süßen Duft der Lupinen habe ich noch immer nicht vergessen können.“

Eine noch genauere Beschreibung des Dorfes liefert die Leerstetter Schriftstellerin Elisabeth Engelhardt in ihrem Roman „Ein deutsches Dorf in Bayern“. Das Dörfchen Maisenlach, das sie dort beschreibt, ist ein Spiegelbild ihres Heimatortes Leerstetten. Auch sie beschreibt die Abgelegenheit Leerstettens und den volkstümlichen Aberglauben seiner Bewohner:

„Unser Dorf stand auf keiner Landkarte verzeichnet. [...] Uns findet nur der Pelzmärtel. Zu uns verirren sich höchstens Heidelbeerpflücker oder Pilzsucher. [...] Der Nachtgiger wohnt im Unterholz. Bei uns sagen sich die Füchse und Hasen gute Nacht.“4

e) Sonstiges

Die Leerstetter Kinder wurden in einem kleinen Schulhaus gegenüber der Kirche des Ortes unterrichtet. Es gab zwei Klassenräume und zwei Lehrer, so dass immer mehre Klassen in einem Raum untergebracht waren. Auch in Leerstetten gab es eine evangelische Kirchengemeinde mit eigenem Pfarrer und eigenem Pfarramt.

 

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Einsetzende Veränderungen der 60-er Jahre

1. Schwand

 

a) Attraktivitätsfaktoren der Gemeinde

Obwohl die Vertriebenen nicht freiwillig nach Schwand gekommen waren, blieben viele von ihnen dort. Lediglich die Flüchtlinge aus dem Saarland und Nürnberg kehrten in ihre Heimat zurück. Außerdem zogen neue Anwohner zu. Der Hauptgrund sowohl für das Bleiben der Vertriebenen, als auch für den Zuzug waren die Nähe und die guten Verkehrsanbindungen nach Nürnberg. Ein Bus nach Schwabach wurde in den 60-er Jahren eingerichtet. In dieser Zeit setzte allmählich der Trend des Pendlerwesens ein: Viele Dorfbewohner lebten zwar noch in den Dörfern, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten fanden sie jedoch in den Städten. Auch die Zugezogenen arbeiteten nicht in der Gemeinde, sondern legten täglich den Weg zum Arbeitsplatz zurück. 1950 haben bereits 160 Schwander in den umliegenden Städten einen Arbeitsplatz gefunden.

 

b) Bevölkerungsentwicklung

Nachdem die Einwohnerzahl in Schwand 1946 erstmals mit 1037 die 1000-er Grenze überschritten und einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte, nahm sie bis 1958 langsam aber kontinuierlich wieder ab (siehe Grafik 1). 1958 fiel die Einwohnerzahl noch einmal unter die Grenze von 1000. Die Flüchtlinge, die im Krieg in Schwand Schutz vor den Bomben der Alliierten gesucht hatten, kehrten in ihre alte Heimat zurück. Auch lockten in dieser Zeit die besseren Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, die insbesondere durch das Wiedererstarken der deutschen Wirtschaft in den 50-er Jahren entstanden, die Leute aus den Dörfern weg in die Ballungsräume. Viele wollten den Dörfern mit ihrer Traditionsgebundenheit und ihrer Enge entfliehen. Ab 1960 jedoch stabilisierte sich die Lage wieder. Fast alle Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten blieben in Schwand. Auch zogen in den folgenden Jahren immer wieder Leute zu, die in denn Städten arbeiteten so dass die Einwohnerzahl stetig stieg. Nach einem stärkeren Anstieg im Jahr 1968 wuchsen die Einwohnerzahlen nicht mehr sprunghaft, sondern gleichmäßig. Dieses langsame Anwachsen der Einwohnerzahlen lag unter anderem daran, dass keine großen Baugebiete ausgewiesen, sondern nach und nach vereinzelte Bauplätze verkauft wurden, so dass auch das Gemeindegebiet nur langsam wuchs.

c) Beschäftigungsstruktur

Der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft nahm immer mehr ab. Im Vergleich zu 1946 zeigt sich diese Tendenz bereits 1950, nur noch 204 Personen sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Im Jahr 1960 ist diese Zahl noch weiter gesunken. (siehe Grafik 2) Diese Entwicklung liegt unter anderem an den guten Möglichkeiten, außerhalb der Gemeinde Arbeit zu finden und dorthin zu pendeln. Oft übernahmen die Kinder der Landwirte den Hof nicht, da sie anderweitig besser verdienten. Es kam zu immer mehr Hofaufgaben, die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe sinkt.

 

d) Infrastrukturelle Maßnahmen

Durch das allmähliche Anwachsen der Bevölkerung und die oben bereits angesprochene, stabile Infrastruktur des Ortes, konnte Schwand den Zuzug von Auswärtigen gut verkraften. Das Schulhaus bot noch bis 1972 allen Schwander Kindern Raum. 1972 gründeten Schwand und Leerstetten einen gemeinsamen Schulverband und bauten eine Verbandsschule im Wald zwischen den beiden Orten. Auch die Grundversorgung der Bevölkerung war sichergestellt. Dennoch waren Maßnahmen nötig um die Infrastruktur zu verbessern: Der Bau des ortseigenen Wasserwerkes in den 60-er Jahren löste das bis dahin bestehende Brunnensystem ab und sorgte somit für die Wasserversorgung des Ortes. Bis dahin gab es einige öffentliche Brunnen, daneben hatte fast jeder Hof seinen eigenen Brunnen. Mit dem Bau des Wasserwerkes bekamen die Bewohner Wasserleitungen und fließendes Wasser, die Benutzung der Brunnen wurde aus Hygienegründen untersagt. Ein besonderes Ereignis für die Bewohner, und insbesondere für den Sportverein, den 1.FC Schwand, war die Einweihung der Sporthalle im Jahr 1959. Die für diese Zeit außergewöhnlich große Halle gab nun Raum für Freizeitbeschäftigungen und Vereinsleben. Auch der 1954 gegründete Schützenverein Schwand fand hier Platz für seine Anlagen.

 

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2. Leerstetten

 

a) Beginn des Baubooms

Die Entwicklung der Gemeinde Leerstetten nach dem 2. Weltkrieg verlief grundsätzlich anders, als die des Marktes Schwand. Während in Schwand die Bevölkerung allmählich anstieg und es kaum Versorgungsengpässe gab, wuchs Leerstetten geradezu explosionsartig. Noch bis Anfang der 60-er Jahre war Leerstetten die oben beschriebene, kleine Landgemeinde, es gab kaum Veränderungen. Das Dorfbild war von der Landwirtschaft geprägt, Dorfbewohner mit größerem Kapitalbesitz gab es nicht.

Anfang der 60-er Jahre „entdeckten“ die ersten Bauunternehmer den Ort. Sie boten den Bauern viel Geld für ihre Äcker und begannen, Mehrfamilienhäuser zu bauen. Für die Landwirte zeigte sich plötzlich eine unerwartete Perspektive, Geld zu verdienen. Sie konnten ihre Äcker verkaufen und verdienten damit ein Vielfaches von dem, was ihnen die mühevolle Bewirtschaftung erbracht hätte. Wer bereits durch Landverkauf zu Geld gekommen war, baute selbst ein Haus und vermietete die Wohnungen an „zugreiste“ Städter. Die ersten Baugebiete wurden ab 1965 im Gebiet der Further Straße und der Ringstraße ausgewiesen (siehe Karte). Damit begann der große Bauboom. Ende der 60-er Jahren folgten die Gebiete in der Siemens- und der Sigmund-Schuckert-Straße. Dieses Gelände wurde von der Wohnungsgenossenschaft Sigmund Schuckert gekauft und vollständig erschlossen. Von der Verlegung der Kanalisation bis zum Bau von Straßen und Häusern übernahm die Genossenschaft alles, so dass sich die Gemeinde um nichts kümmern musste. Dafür hatte die Genossenschaft ein Vorschlagsrecht für Straßennamen, so dass die Straßen in diesem Gebiet alle nach bedeutenden Persönlichkeiten der Firmen Siemens und Schuckert benannt sind. Die Häuser wurden dann von der Wohnungsbaugenossenschaft verkauft, hauptsächlich an Mitarbeiter der beiden Firmen.

 

b) Bevölkerungsentwicklung

In dieser Zeit explodierten die Einwohnerzahlen in Leerstetten geradezu (siehe Abbildung 1). Gab es 1960 erst 621 Einwohner wurde 1967 bereits die 1000-er Marke überschritten, 3 Jahre später war noch einmal die doppelte Zahl an Einwohnern gemeldet. Allein in dem einen Jahr von 1970 bis 1971 wuchs die Bevölkerungszahl nochmals um 10%! In den 10 Jahren von 1961 bis 1971 stieg die Einwohnerzahl in Leerstetten von 621 auf 2289 Einwohner. Das ist ein mittleres jährliches Bevölkerungswachstum von 12 %. Schwand wuchs im selben Zeitraum nur um 330 Einwohner, ein Bevölkerungswachstum von nur 2,9%.

 

c) infrastrukturelle Maßnahmen

 

Wasserturm Die Struktur der Gemeinde Leerstetten war einem Wachstum dieses Ausmaßes nicht gewachsen. Es waren viele Veränderungen notwendig, um für die Versorgung der Bewohner zu sorgen. 1962 trat Leerstetten dem „Zweckverband Wasserversorgung unteres Schwarzachtal“ bei, womit jedes Haus einen Wasseranschluss bekam. Somit war die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser sichergestellt. Im Zuge dieses Beitritts wurde der 32 m hohe Wasserturm neben dem Friedhof gebaut. Über die Erleichterungen, die dieser Schritt mit sich brachte und über das neue Wahrzeichen der Gemeinde weiß auch Elisabeth Engelhardt in ihrem Roman zu berichten:

 

„Früher mussten wir unser Wasser aus dem Brunnen pumpen, heute drehen wir am Wasserhahn, es sprudelt heraus, zwanzig Meter hoch ragt unser Wasserturm ins Land, ein Wahrzeichen, wir haben ein weithin sichtbares Kunstwerk anbringen lassen von der Hand eines Künstlers: den Meergott Neptun, der, aus den Wellen steigend, seinen Dreizack erhebt.“

 

Bereits 1963 war das alte Schulhaus gegenüber der evangelischen Kirche mit nur einem Klassenzimmer, in dem alle Kinder des Dorfes unterrichtet wurden zu klein. Der Bau eines neuen Schulhauses mit drei Klassen in der Schwabacher Straße wurde begonnen. 1972 war auch dieses Schulhaus zu klein, eine der dortigen Klasse musste sogar in den Turnraum im Keller des Schulhauses einquartiert werden, da sonst der Platz nicht reichte. Aufgrund des großen Bedarfs und dem hohen Aufwand, den ein nochmaliger Schulbau mit sich gebracht hätte, gründete Leerstetten gemeinsam mit der Nachbargemeinde Schwand einen Schulverband. Zwischen den beiden Orten (siehe Karte) wurde eine Verbandsschule gebaut, in die nun sowohl die Schwander, als auch die Leerstetter Kinder gingen.

1964 begann man, die Straße nach Schaftnach und Harm auszubauen und teerte die Hauptstraße. 1971 wurde von der Gemeinde ein Kindergarten gebaut. Er befindet sich in der Sonnenstraße und besteht heute noch.

Auch im Bankenwesen hat sich etwas getan: Bis 1968 wurde in der Raiffeisengenossenschaft von einem Bauern das Geld des Dorfes nach dem Motto der Genossenschaft von zu Hause aus verwaltet. 1968 eröffnete die Raiffeisenbank in Leerstetten eine Filiale, 1971 folgte die Sparkasse. Ebenfalls 1971 wurde in der Ringstraße eine Poststelle eingerichtet. 1978 wurde diese Poststelle aufgelöst und dafür in der Brunnenstraße das Postamt Schwanstetten 1 eingerichtet.

Bürgermeister in der Zeit von 1960 bis 1972 war Karl Volkert. Er stellte die Weichen für die vielen Veränderungen in der Gemeinde und Postamt 1 traf mutige Entscheidungen. 1992 wurde er für seine Verdienste mit der Bürgermedaille ausgezeichnet. Ohne ihn wäre Leerstetten wohl noch immer „das Bauerndorf, das auf keiner Landkarte zu finden ist.“6

 

d) Beschäftigungsstruktur

Auch die Zugezogenen in Leerstetten fanden größtenteils im Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen oder in Schwabach und Roth Arbeit. Doch nicht nur sie, auch die Kinder der alteingesessenen Landwirte suchten Arbeit in der Stadt. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sank bereits in der Zeit von 1950 bis 1960, nämlich von 82 auf 75. Ebenso verhielt es sich mit der Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten (siehe Grafik2). Die Zahl der Beschäftigten im sekundären Sektor stieg an. Dies kennzeichnet bereits die ersten Anfänge auf dem Weg weg von der extrem agrarisch geprägten Gemeinde. Im tertiären Sektor geht die Zahl der Beschäftigten dagegen eher noch mal etwas zurück. Zu dieser Zeit warfen bereits große Ereignisse, nicht nur für Schwand und Leerstetten, sondern für ganz Bayern, ihre Schatten voraus. In München sah man die Notwendigkeit, das überholte Gemeindewesen zu reformieren.

 

Gebietsreform in den 70-er Jahren

1. Allgemeine Ziele

Die bis Anfang der 70-er Jahre bestehenden Gemeinden waren größtenteils in der Zeit von 1808 bis 1818 aus den Reformen von Montegélas hervorgegangen. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Bayern über 40000 Kleinstgemeinden, die zu 7000 Gemeinden zusammengelegt wurden. Auch diese Gemeinden waren jedoch sehr klein, die meisten hatten weniger als 1000 Einwohner. Seit der Zeit dieser Reformen hat sich die Gesellschaft und die Struktur Bayerns grundlegend geändert, so dass die Gemeinden im 20. Jahrhundert neuen Aufgaben gegenüberstehen: Sie sind nicht mehr in erster Linie hoheitliche Ordnungsbehörden, der Bürger erwartet vielmehr die Bereitstellung von Dienstleistungen und Versorgungseinrichtungen, wie Schulen oder Krankenhäuser. Dieser Aufgabe waren die –oftmals ehrenamtlich verwalteten- Kleinstgemeinden und –Landkreise aufgrund fehlender finanzieller und verwaltungstechnischer Leistungskraft nicht gewachsen. Durch die zunehmende Abwanderung der Landbevölkerung in die Städte kommt es zu einer weiteren finanziellen Schwächung der Landgemeinden und zu einer Vergrößerung der ungleichen Chancen aufgrund vorhandener bzw. nicht vorhandener Versorgungseinrichtungen. Da es zu den Aufgaben des modernen Sozialstaates gehört, eine solche Chancenungleichheit zu vermeiden und die Versorgung der Bürger auch in peripheren Regionen sicherzustellen, musste ein effektiveres Verwaltungssystem geschaffen werden. Die Verwaltung musste den veränderten Anforderungen angepasst werden, die kommunale Selbstverwaltung sollte gestärkt und mehr Bürgernähe und Wirtschaftlichkeit hergestellt werden. So bedarf eine Behörde einer gewissen Mindestgröße, um effektiv arbeiten zu können. Die Anschaffung von bestimmten Geräten oder die Beschäftigung von qualifiziertem Personal rentiert sich beispielsweise erst ab einer bestimmten Größe. Außerdem musste der neue Verwaltungsapparat in der Lage sein, das Leistungsgefälle, dass im Bezug auf Versorgungseinrichtungen bestand, auszugleichen oder zumindest abzufedern.

Um diese Ziele zu erreichen führte man zunächst 1972 eine Reform der Landkreise durch, dieser folgte dann die Gemeindegebietsreform. Zunächst wurde versucht, die Gemeinden durch staatliche Unterstützung zu freiwilligen Zusammenschlüssen zu bewegen. 1978 wurden die übrigen Kleingemeinden durch ein staatliches Konzept zu größeren Verwaltungseinheiten zusammengelegt.7

Die neuen Gemeinden erhielten größere Finanzkraft, auch strukturverbessernde Maßnahmen und Maßnahmen im Zuge der Raumplanung konnten nun wirkungsvoller durchgeführt werden.

 

2. Auswirkungen der Reformen auf Schwand und Leerstetten

a) Landkreisreform

Im Zuge der Landkreisreform wurden der Landkreis Schwabach, zu dem sowohl Schwand, als auch Leerstetten gehörten, und der Landkreis Hilpoltstein zum Landkreis Roth vereinigt. Seit dem 1.Juli 1972 gehören die Gemeinden zu diesem neuen Landkreis.

b) Gemeindegebietsreform

Auch der Markt Schwand und die Gemeinde Leerstetten gehörten zu den oben beschriebenen Klein-Gemeinden, deren Verwaltung nicht effektiv arbeiten konnte. Die Versorgung der Bevölkerung stellte insbesondere Leerstetten vor große Probleme. Allein der Neubau der Schule 1962 und der nochmalige Schulbau der Verbandsschule 1972 brachten große finanzielle Belastungen für den Gemeindeetat.

So war also das Ende der Unabhängigkeit der beiden Orte bereits Ende der 60-er Jahre absehbar. Bereits 1969 wird im „Erläuterungsbericht zu den Flächennutzungsplänen für Schwand und Leerstetten“ über die Zusammenlegung der Orte zu einer Gemeinde spekuliert.

Aufgrund bestehender innerer Verflechtungen, wie beispielsweise der Zugehörigkeit der Gemeinde Leerstetten zur Forstdienststelle Schwand, lag der Zusammenschluss der Orte Schwand und Leerstetten nahe.8 Wenige Jahre später wurde die Gebietsreform offiziell beschlossen.

Bei den Einwohnern der beiden Gemeinden war die Gebietsreform nicht sonderlich beliebt. Aufgrund der wirtschaftlichen Unterschiede bestand immer schon Neid zwischen den Orten. Dieser äußerte sich jedoch nicht nur in kleinen Sticheleien, teilweise bestand zwischen den Orten eine richtige Feindschaft.

Nachdem die Reform am „grünen Tisch“ beschlossen worden war, versuchte man jedoch, zumindest von offizieller Seite, das Beste daraus zu machen. Auf Leerstetter Seite war der Bürgermeister Fritz Meyer federführend, in Schwand amtierte zu dieser Zeit Leonhard Kohl. Es wurden viele Verhandlungen mit den Vertretern der jeweiligen Nachbargemeinde geführt, bis der endgültige Schritt des Zusammenschlusses erfolgte.

Ein überaus heftiger Streit entbrannte zwischen den Gemeinden bei der Frage der Namensgebung: Jeder der Orte wollte der neuen Gemeinde den eigenen Namen geben. Die Schwander argumentierten, sie seien die ältere Gemeinde, der neue Ort müsse also Schwand heißen. Leerstetten war zu dieser Zeit bereits um 100 Einwohner größer als Schwand, was die Leerstetter als Argument dafür ins Felde führten, den Ort Leerstetten zu benennen. Beinahe wäre das „Unternehmen Gebietsreform“ an dieser Streitfrage zerbrochen.

 

Der damalige Bundestagsabgeordnete des Gebietes und spätere Bundestagspräsident Richard Stücklen wurde von seinen Parteifreunden aus beiden Gemeinden gebeten, eine Lösung für dieses Problem zu finden. In seiner Biographie „Mit Humor und Augenmaß“ beschreibt er den Kompromiss, den er fand:

„Ich hatte die Idee, die beiden Ortsnamen miteinander zu verbinden. Mir schwebte vor, die neue Gemeinde „Schwanstetten“ zu nennen. [...] Mit diesem Vorschlag habe ich in beiden Gemeinden, zwar widerwillig aber doch eine Einigung erreicht. Schwanstetten ist die einzige Gemeinde in Bayern, die auf diese Art ihre Ortsbezeichnung erhielt.“9

Das Wort „Markt“ in der Gemeindebezeichnung wurde von Schwand übernommen.

Am 1.5.1978 wurde der Beschluss rechtskräftig, Schwand und Leerstetten waren keine Einzelgemeinden mehr sondern bildeten die Marktgemeinde Schwanstetten.

Das Gemeindegebiet der neuen Gemeinde umfasst 29,69km2, die Einwohnerzahl betrug 5278. Aufgrund dieser strukturellen Veränderungen waren nun die oben beschriebenen Vorraussetzungen für ein effektiveres Wirtschaften gegeben.

Der Streit zwischen den Orten ist bei den Neuzugezogenen –vor allem denen nach 1978- kaum ein Thema, da sie die Gemeinde von Anfang an als Marktgemeinde Schwanstetten erlebten. Die Zwistigkeiten bei den Einheimischen sind bis heute noch nicht vollkommen beigelegt.

 

 

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