Als die Amerikaner kamen:
Kriegstagebuch vom 1.Januar bis 13. Mai 1945
Von Pfarrer Georg Rusam (1905 -1988) von 1939 bis 1949 Pfarrer in Schwand) zum Verfasser
Die letzten Monate vor Kriegsende waren eine aufregende, aufgewühlte Zeit. Die Ereignisse überstürzten sich so, daß man am Morgen nicht mehr wußte, was gestern und vorgestern war. Man lebte von Tag zu Tag weiter und hoffte sehnlichst auf das Kriegsende. Der Nachkriegsgeneration, die in der freiheitlichen Demokratie aufgewachsen ist, kann die Lage nur schwer begreiflich gemacht werden, in der man sich damals befand. Die Bedrohung durch Fliegerangriffe, Bombenabwürfe, Tiefflieger, die unter den versprengten Soldaten ihre Opfer jagten, war ständig gegenwärtig. Der Bedrohung durch lauernde Aufpasser, Spitzel und Denunzianten war man wehrlos ausgeliefert. Bei einem Gestapo-Verhör (Geheime Staatspolizei) drohte Verhaftung und Konzentrationslager. Jedes Wort mußte man auf der Zunge abwägen. Eine unbedachte Äußerung zuviel, ein Zweifel am »Endsieg« konnte zum todeswürdigen Verbrechen der »Wehrkraftzersetzung« werden und schlimmste Folgen nach sich ziehen. Wahnwitzige Durchhalteparolen wurden ausgegeben. Der Nürnberger Gauleiter Holz hatte als Reichsverteidigungskommissar für Franken den Befehl erlassen: »Jeder Verräter oder jede Verräterin, die weiße Fahnen hissen, verfallen unweigerlich dem Tode und werden aufgehängt. Jedes Haus, an dem weiße Fahnen hängen, wird gesprengt oder niedergebrannt. Dörfer, die gemeinsam weiße Fahnen hissen, werden niedergebrannt.« Über die wahre aussichtslose Kriegslage wurden zielbewußt die »Volksgenossen« getäuscht und betrogen. Die einzige Möglichkeit, genaue Nachrichten über die Frontlage zu erhalten, war das streng verbotene Schwarzhören der Feindsender am Volksempfänger (Rundfunk) bei Nacht, absolut geheim vor den eigenen Kindern, die unbeabsichtigt zu Verrätern ihrer Eltern hätten werden können. Bei Ertapptwerden hätte Verhaftung und Einweisung in ein KZ-Lager gedroht. Die schlimmste Bedrohung aber bedeuteten noch in den letzten Tagen vor Kriegsende die restlichen versprengten Einheiten der SS-Division »Götz von Berlichingen«, die zum Kampf bis zur letzten Patrone entschlossen waren und von denen das Wohl und Wehe der Dörfer und Ortschaften abhing. Sie hatten sich in Meckenlohe und Harrlach festgesetzt, als die amerikanischen Panzer bereits in Schwand waren, und drangen in den Wäldern bis dicht an Schwand vor. Die Lage war damals äußerst gefährlich für Schwand. Mit Grund waren die SS-Männer von der Bevölkerung gefürchtet. Schließlich zogen sie sich nach Allersberg zurück, das danach drei Tage lang unter amerikanischem Artilleriebeschuß von Harrlach aus lag. Allersberg sank in Schutt und Asche, wobei 46 Menschen ihr Leben lassen mußten. Der am schlimmsten heimgesuchte Ort in Franken wurde dann aber die Stadt Neumarkt, die von den SS-Truppen verteidigt und vier Tage umkämpft wurde. Am Ende bot sie ein Bild des Grauens. Neun Zehntel der Häuser in der Altstadt waren zerstört, Hunderte von Todesopfern hatte die Verteidigung des Ortes gekostet. In vielen Dörfern und Städten wie Fürth, Schwabach, Weißenburg, gelang es besonnenen Männern, den sinnlosen Widerstand und die drohende Beschießung abzuwehren. In Erlangen und Ansbach opferten sich tapfere Männer auf, um Stadt und Einwohnerschaft zu retten. Sie mußten ihre mutige Tat mit dem Leben bezahlen.
Das folgende Kriegstagebuch vom l. Januar bis zum 13. Mai 1945 schildert die Kriegsereignisse aus dem Blickwinkel des evangelischen Pfarrhauses:
1.Januar 1945: Die Dörfer, voran Schwand und Rednitzhembach, sind vollgestopft mit Saarflüchtlingen und Nürnberger Fliegergeschädigten. Mitte Dezember war ein Trupp von 70 Saarländern angekommen, meist aus guten Verhältnissen, und mußten in Schwand untergebracht werden. Die noch nicht eingezogenen Männer und Burschen werden zum Volkssturm ausgebildet, dem letzten Aufgebot zur Verteidigung, meist an den Sonntagvormittagen.
Di. 2. Januar, abends 7-8 Uhr war schwerer Luftangriff auf Nürnberg mit 593 Bombern. Der Himmel dröhnte vom Motorenlärm und war ständig erhellt. Es war die Royal Air Force. Die Leute gingen nach langer Zeit wieder in die Keller, der Luftdruck rüttelte an Türen und Fenstern, fast ununterbrochen. Die nächsten Tage brachten die Schreckensnachrichten: Die Innenstadt ein Flammenmeer, ganze Stadtteile, Industriewerke zerstört, 1837 (amtlich) Tote, 100 000 Obdachlose! Der Zugverkehr endete in Eibach, viele Schwander mußten zu Fuß herauslaufen. 2 Todesopfer dieses Fliegerangriffes, die aus Schwand stammten, wurden im hiesigen Friedhof beerdigt, wobei der Ortsgruppenleiter Paulus eine Rede am Grab hielt, die allgemeines Mißfallen erregte.
Di. 13./ Mi. 14. Februar, abends 8 Uhr Alarm bis 3 1/4 Uhr früh mit etwa 85 Luftlagemeldungen des Rundfunks. 3 Schwere Bomben fielen unmittelbar hinter Schwand in die Wiesen und beschädigten das Gartenhaus Senz. Der Schreck für die Häuser in der Nähe war groß. Am kommenden Tag war wieder Daueralarm von 3/4 8 Uhr abends bis ½ 2 Uhr früh. Ein geregelter Schulbetrieb ist kaum mehr möglich.
Di. 20. Februar, mittags 1-2 Uhr wieder schwerer Terrorangriff auf Nürnberg mit 900 Bombern. Endlose Verbände von Bombern zogen weiße Kondensstreifen am Himmel, das Donnern der Bomben war unheimlich. Die Bahnanlagen, der Süden der Stadt wurden besonders heimgesucht. Vereinzelt fielen Bomben in der Nähe. Ein mit dem Fallschirm abgesprungener Soldat wurde bei Leerstetten festgenommen und nach Schwand verbracht, ein aufregendes Ereignis für die Bevölkerung.
Mi. 21. Februar, war mittags wieder vierstündiger Alarm, ein konzentrierter schwerer Angriff auf Nürnberg mit 1200 Bombern wurde durchgeführt. Die Rauchwolken verfinsterten die Luft, stundenlang zogen die Rauchschwaden am Himmel dahin, der Brandgeruch war noch am andern Tag zu spüren. Der Wind wehte ein angekohltes Bibelblatt u. a. bis nach Schwand. Viele Flugblätter wurden abgeworfen. Die beiden folgenden Tage war mittags mehrere Stunden, 5 Stunden, Alarm, Bomberverbände aus Mitteldeutschland flogen durch, es gab viele Tiefflieger, die nun zur täglichen Bedrohung werden.
28. Februar, nachmittags, fand ein Tieffliegerangriff auf ein Militärauto dicht hinter Rednitzhembach auf der Straße nach Roth statt, wobei es 5 Tote und 3 Schwerverletzte gab, die hernach starben. Der Überfall fand plötzlich und überraschend statt.
Nachdem es schon größte Schwierigkeiten gegeben hatte, in diesen Wochen den Konfirmandenunterricht abzuhalten, sind nunmehr Störungen der Gottesdienste an der Tagesordnung. Am So. 25. Febr., wurde die Predigt durch öffentliche Luftwarnung unterbrochen, doch konnte der Gottesdienst zu Ende gehalten werden, während der Kindergottesdienst ausfallen mußte, wie an den folgenden Sonntagen.
Am Freitag 2. März, mußte der Passionsgottesdienst gerade vor Beginn der Predigt abgebrochen werden; am So. 4. März, war es wegen Fliegeralarm notwendig, zu Beginn der Predigt abzubrechen. Die Gottesdienste mußten um l Stunde auf ½ 9 Uhr vorverlegt werden.
Ende Febr. lösen die eintreffenden Nachrichten von den schweren Zerstörungen und den Todesopfern in Treuchtlingen (1200 Tote) und Ansbach große Bestürzung aus.
Zahlreiche fliegergeschädigte Nürnberger, meist Verwandte, suchen Unterkunft in unseren Dörfern. Eine Menge neuer Kinder tauchen im Religionsunterricht auf. Überhaupt wird das Dorfbild seit längerem von Auswärtigen beherrscht. Es laufen auf der Straße so viele Saarländer, Nürnberger u. a. umher, daß die Einheimischen ganz zurücktreten.
Di. 13. März, kamen Ungarn mit ihren mageren Pferden und Wagen durch den Ort, etwa 16 Pferde hatten sie zu wenig. Es war ein seltsamer Anblick, wenn eine Menge Bagagewagen von den Truppen selber gezogen werden mußten. Sie zogen Richtung Altdorf weiter. Einige Dorfbuben schlossen sich ihnen abends an, einer kam nachts 2 Uhr heim, die beiden anderen erst am folgenden Nachmittag. In Großschwarzenlohe waren mehrere Tage lang Kalmücken im Quartier, von denen sich einige in Schwand sehen ließen.
Fr. 16. März, bis So. 18. März, waren etwa 300 Mann Weißrussen, SS-Leute, Teile der Armee Wlassov, in Schwand einquartiert, auf dem Weg zur Ostfront. Sie hatten im Gegensatz zu den Ungarn Lastkraftwagen, auch einige Offiziersweiber dabei. Früh 5 Uhr weckten sie die Leute aus dem Schlaf, machten Lärm, überfielen alles mit Einquartierung in den Stuben und Betten, z.T. recht anspruchsvoll, z.T. auch anständig. Ebenso war Rednitzhembach heimgesucht. Dort kam am So. 17. März, ein zweiter Schub von 500 Mann an, anmaßend und verstohlen, so daß die Leute sich vielfach fürchten mußten. Sie holten die Leute aus den Betten und beanspruchten diese für sich. Mit Kleidung, Stiefeln und Verpflegung waren sie glänzend versorgt, anders als die 180 hungrigen Ungarn, die seit Wochen in den Gasthäusern Rednitzhembachs im Quartier lagen. Bei ihrem Abzug ließen sie vieles mit sich gehen. Die Ungarn dagegen benahmen sich sehr anständig, waren darum in den Häusern zum Essen zugelassen, da sie kümmerlich verpflegt waren. Sie feierten auch mehrmals Gottesdienste in der Kirche zu Rednitzhembach. Auf dem Turm hatten sie eine Beobachtungsstelle wegen Fallschirmjägerlandung und Panzerbeobachtung eingerichtet.
Fr. 16. März, fand abends 10 Uhr ein Angriff mit Schnellbomberverbänden auf Nürnberg statt, der letzte schwere Angriff auf Nürnberg. Vermutlich ein angeschossener Flieger lud seine Stabbrandbomben dicht hinter Schwand im Osten auf den Wiesen und Äckern ab, vom Bach bis zum Landwirt Zeh. Hunderte von Brandbomben ergaben ein so hell leuchtendes Feuer, daß viele Leute vor Schrecken schrieen: Ganz Schwand brennt! Nur im Tabakschuppen bei Zeh brannte es einige Zeit, doch konnte das Feuer gelöscht werden. An anderen Stellen wurden die Brandbomben beseitigt. Eine Luftmine fiel zwischen Traumühle und Neuschwand schief auf den Acker und platzte, riß dabei einen vier Meter tiefen Trichter auf. Sie war dick und dreiviertel so lang wie ein Faß zur Grubenentleerung, gefüllt mit gelbem Sprengstoff. In den beiden folgenden Nächten gab es neue Schnellbomberüberfälle von kurzer Dauer. Die Nacht vom 16. März hätte für Schwand schlimm ausgehen können.
So. 25. März: Die Konfirmation am Palmsonntag in Schwand konnte früh ½ 9 Uhr ungestört abgehalten werden, doch war nach dem Gottesdienst wieder öffentliche Luftwarnung.
Mo. 26. März: Die Leute sind in großer Aufregung wegen des Näherrückens der Front. Alarmnachrichten treffen ein. Manche fangen an, Wertsachen, Lebensmittel einzugraben. Nach einigen Tagen ist die Stimmung beruhigter, doch wächst gegen Ende der Woche mit der Nachricht die Spannung, die Amerikaner wären schon bei Würzburg mit dem Ziel Nürnberg. Alles hört fleißig den Rundfunk, immer mehr Leute werden zu Schwarzhörern, bleiben die halbe Nacht auf, um den Soldatensender Calais, den Londoner Rundfunk, den amerikanischen Sender in Europa abzuhören und damit Genaueres über die Frontlage zu erfahren, während die deutschen Sender lügen, was sie können.
30. März: Der Karfreitagsgottesdienst konnte erstmals wieder mit voller Liturgie abgehalten werden. Seit Weihnachten hatten die Gottesdienste ohne Liturgie stattfinden müssen. Am Karfreitagnachmittag, 5 Uhr, fand großes Abendmahl mit noch nie dagewesenem Andrang statt, mit 215 Abendmahlsgästen, daß fast der Wein nicht ausgereicht hätte, ein deutliches Zeichen für den Ernst der Lage und beginnendes kirchliches Leben. Jahrelang Ferngebliebene kamen, auch Fliegergeschädigte aus Nürnberg waren darunter, in Gruppen zu 5 traten sie an den Altar. Erstmals hatte Schwand eine richtige Abendmahlsgemeinde erlebt, das ganze Kirchenschiff war gefüllt mit Männern und Frauen: das erste und letzte Abendmahl vor dem Umschwung.
l. April: Der Ostergottesdienst früh ½ 9 Uhr wäre fast nicht zustande gekommen. Um 8 Uhr war öffentliche Luftwarnung, aber die Leute kamen, und die Kirche war sehr gut besucht. Die Liturgie wurde unter den gegebenen Umständen nicht gehalten, vielmehr gleich nach dem Lied mit der Predigt begonnen, als schon nach der Einleitung Fliegeralarm einsetzte. Nach Befragen der Gemeinde wurde die Predigt beendet, dann aber der Gottesdienst mit Vers, Vaterunser und Segen abgebrochen. In Rednitzhembach mußten unterdessen die Bauern unter Befehl der Ungarn Panzersperren am Schulhaus und am Wirtshaus in Plöckendorf errichten. Auch eine Menge Löcher für Panzerfaustschützen wurden gegraben, alles sinnlose Dinge, über die ein Soldat nur lachen konnte. Am Ostersonntagnachmittag kamen Tiefflieger und griffen Fahrzeuge bei Pfaffenhofen an, in der Nacht um 3 Uhr einen Zug bei Rednitzhembach, ferner eine Abteilung Nachrichtentruppen im Wald zwischen Rednitzhembach und Schwand. Diese 35 Mann quartierten sich in Schwand ein, da sie wegen Benzinmangels mit ihren Lastwägen nicht weiter konnten. Sie zogen bald wieder ab.
Mi. 4. April, früh kamen Flakabteilungen nach Schwand mit motorisierten Geschützen, von der Front bei Uffenheim zurückgezogen. Sie standen auf der Straße in der Sooß. Munition hatten sie keine. In das Schulhaus Schwand wurde der Batteriestab mit Hauptmann Lemke gelegt. Schulunterricht war nur noch am Dienstag nach Ostern gewesen. Die 300 Mann wurden auf Schwand, Rednitzhembach, Penzendorf verteilt. Zwei Flakgeschütze wurden in Schwand auf der Straße nach Rednitzhembach und am Weg nach Mittelhembach eingebaut. Zum Schanzen waren ein Dutzend junger Kroaten dabei. 6 russische Beutegeschütze wurden bei Rednitzhembach aufgestellt, 2 bei Penzendorf. An manchen Tagen waren unsere Leute so niedergeschlagen, daß kaum etwas gearbeitet wurde, denn nun war klar, daß Schwand verteidigt werden sollte. Alles war beschäftigt mit Einpacken, Vergraben, Verstecken.
Do. 5. April, war Fliegerangriff auf Nürnberg, Fürth, Ansbach, Eichstätt, Ingolstadt und am Fr. 6. April, war Regentag mit Fliegerruhe. Nachmittags kamen etwa 40 Flakhelferinnen an, die von Fürth zurückverlegt wurden, lauter Führerinnen-Anwärterinnen, Lehrerinnen, Künstlerinnen, Kindergärtnerinnen aus Norddeutschland, mit einem Major und seiner Madame. Wenige Tage später wurden alle einfach von der Wehrmacht entlassen, saßen nun auf der Straße und wurden heimgeschickt. Der größere Teil machte sich auf den Weg, etwa 12 blieben hier und fanden bei der Batterie Unterkunft, da sie nicht mehr nach Breslau, Berlin, Küstrin, Dresden u. a. heimkonnten.
Sa. 7. April, abends kamen Tiefflieger. Der So. Morgen, 8. April, war sehr unruhig mit Jagdbombern, doch konnte der verkürzte Gottesdienst unter Luftwarnung abgehalten und noch vor Eintritt des Alarms beendet werden. Es schloß sich lebhafte Jagdbombertätigkeit im Westen des inneren Bereichs um Nürnberg an. Die Samstagszeitung brachte die Aufforderung zum Verlassen des Operationsgebietes Neustadt a. d. Aisch, Rothenburg, Ansbach, Dinkelsbühl, Erlangen, Fürth und Nürnberg. Letzteres wurde zur Festung erklärt, die verteidigt werden soll und darum evakuiert werden müsse. Doch gehörte Schwand nicht mehr zum äußeren Verteidigungsring um die Stadt. Auch Schwabach soll nach Erklärung des Kreisleiters verteidigt werden. Damit ist die ganze Umgebung gefährdet. Ungezählte evakuieren sich aus Nürnberg, vor allem nach dem Osten, und aus Schwabach. Auch die Schwander werden aufgeregt und graben sich Bunker im Wald bei der Finstermühle, graben ihre Habseligkeiten und Nahrungsmittel ein. Sie wollen beim Näherkommen der Front sich in den Wald flüchten, was das Dümmste gewesen wäre. Dann hätten sie tagelang nicht mehr aus den Wäldern heimgekonnt. Die Wälder der Sooß wimmeln von Truppen, Lastwagen, den ganzen Tag kreisen Tiefflieger. Die Ereignisse überstürzen sich in diesen Tagen voll herrlichsten Sonnenscheins, als wäre es Frieden.
10. April: Der Kindergarten muß geschlossen werden, der Raum wird als Lazarett beschlagnahmt. Bei Lades wird ein Truppenverpflegungslager eingerichtet, viele Lastwagen werden abgeladen. Der Volkssturm ist zur Verteidigung der Ortschaft aufgerufen, Gewehre, Panzerfäuste, Handgranaten sind angekommen. Im Ernstfall sollten Frauen und Kinder in die Wälder geschickt werden. Jeder Einsichtige weiß, daß damit das Schicksal des Dorfes besiegelt wäre. Es war ein erschütternder Anblick, als am 12. Apr. 16- und 17jährige Kinder in Wehrmachtsuniform aus der Schwabacher Kaserne auftauchten, wo sie ausgebildet werden sollten. Im Kellerhaus der Brauerei am Sportplatz, wo bisher Polen als Waldarbeiter untergebracht waren, hat sich eine Schwabacher Hundeabteilung mit Meldehunden niedergelassen.
Sa. 14. April: Die Ungarn zogen von Rednitzhembach ab. Hauptmann Lemke und Hauptmann Brunn kommen ins Pfarrhaus mit der Bitte, ihr Gepäck hinterlassen zu dürfen. Sie rechnen offenbar mit einem baldigen Kriegsende. Abends fand eine vorfühlende Besprechung zwischen dem Pfarrer und Bürgermeister Brunner statt, bei der dieser erklärte: Ich opfere mich auf für das Dorf, es wird nicht verteidigt! Er gab seiner Entschlossenheit stärksten Ausdruck.
So. 15. April: Die Batterie wird frühmorgens abtransportiert, Richtung Nord. Die Panzerspitzen der Amerikaner sind über Bamberg bis Erlangen vorgedrungen, Der Gottesdienst, der letzte vor dem Umschwung, konnte unter Tieffliegertätigkeit in der näheren Umgebung, dem Knattern von Bordwaffen, den Einschlägen von Bomben, gehalten werden. Die Batterie Lemke war nach Zerstörung ihrer 3 Funk-, Horch- und Beobachtungsgeräte im Wert von je 300 000 RM abgezogen, die Geräte hatten sie im Wald dicht hinter Schwand eingegraben. Am Montag kamen die mit fortgezogenen Flakhelferinnen wieder nach Schwand zurück, die Batterie war bis in die vorderste Front nach Heroldsberg gekommen. Die Nacht zum Sonntag war sehr unruhig. Fortwährend zogen Truppen nach Süden durch. Ständig hörte man Schießen und Sprengungen. Auch den ganzen Tag über zogen Truppen durch, zu Fuß und mit kleinen Handwägelchen für die Tornister. Ein Stab mit einem Gefangenentransport zog durch Schwand. Die Panzerspitzen werden bereits bei Erlangen, Hersbruck, Neustadt/A, gemeldet. Tagelang Gefangenentransporte kamen auch durch Harrlach, so daß einmal etwa 1000 Mann in Scheunen und Häusern einquartiert waren, denn das Lager Langwasser und andere Lager wurden geräumt, noch in letzter Minute.
Mo. 16. April: Im Pfarrhaus sind 16 Personen über Nacht, alle Zimmer sind belegt mit 11 Erwachsenen, 5 Kindern, außer der Pfarrfamilie mit Nürnberger Fliegergeschädigten und einer Lehrersfamilie aus Röthenbach bei Nürnberg, die evakuiert sind. Die Nacht hindurch und den ganzen Tag hört man Sprengungen von Brücken, Artillerieschüsse. Am Nachmittag kamen die Panzer von Osten, Nord- und Südosten her auf Nürnberg zu. Ständig kamen Truppen durch Schwand, auch Polizeitruppen. Die Bauern müssen Transportfahrten, auch in der Nacht, machen. Gegen 5 Uhr abends trug sich ein schweres Unglück zu: Ein Militärlastwagen auf dem Weg nach Harrlach wurde dicht hinter dem Ort von Tieffliegern angegriffen; er hatte im kleinen Wäldchen am Weg Deckung gesucht. Dreimal erfolgte ein Angriff mit je drei Bomben und das erstemal mit Bordwaffenbeschuß. Während der Lastwagen unbeschädigt weiterfahren konnte, wurde noch am Vorabend des Friedens Frau Vitzethum auf dem Acker nebenan durch Bordwaffen sofort getötet, dem Franzosen der Fuß abgeschossen, eine Kuh getötet. Ihr Mann mußte alles mit ansehen. Der Nachbar auf dem Acker nebenan wurde durch einen Granatsplitter am Knöchel schwer verletzt, sein Sohn erhielt einen Streifsplitter in den Rücken, eine Kuh wurde so verletzt, daß sie notgeschlachtet werden mußte. Die anderen kamen mit dem Schrecken davon. Der Unglücksfall ist sehr traurig und löst allgemeine Bestürzung aus und größtes Bedauern mit der Familie. Bis tief in die Nacht hinein waren die Tiefflieger in der Umgebung tätig, auch am folgenden Morgen. Die Leute stehen jetzt viel unter der Haustüre, an der Straße. Es gibt immer noch einzelne Leute, die auf dem Standpunkt stehen, Schwand müsse verteidigt werden!
Ein endloser Lärm zog sich durch die unruhige Nacht zum Dienstag. Aus den Lagern Langwasser und Hammelburg kamen Tausende von Gefangenen in Richtung Roth durch Schwand, Begleitsoldaten, versprengte Trupps quartieren sich ein, Fahrräder und Handwagen sind sehr gefährdet und werden gern mitgenommen. Auch Pferdegespanne kommen durch, selten Autos oder Panzer. Viele Soldaten mit dürftigster Ausrüstung, ohne Gewehre sind darunter.
Di. 17. April: Am Morgen des entscheidenden Tages erlebte Schwand einen seltsamen Anblick: Schwarze kamen durch, etwa 100 gefangene Neger, die in Frankreich gefangen waren und in Fürth in den Munitionsfabriken gearbeitet hatten. Mancher hatte einen roten Fez auf dem Kopf. Am Vormittag waren noch viele Tiefflieger sichtbar. Die Spannung wuchs stündlich. Um 11 Uhr wurde von Leerstetten aus, wo bereits die amerikanischen Panzer eingetroffen waren, beim Bürgermeister antelefoniert, ob der Ort freigegeben wird. Mittags waren noch Detonationen von Sprengungen zu hören, dann war auffallende Ruhe, auch die Artillerie war nicht mehr zu hören. Die Soldaten, die noch im Ort waren, verdrückten sich bis auf Reste. Gegen 3 Uhr wird bekannt, daß die Panzer schon in Worzeldorf, Wendelstein, Katzwang sind. Die Erregung der Leute steigt beständig. Einzelne verpflegen sich aus einem stehengebliebenen Lastwagen. Fleisch, Mehl, Wein wird verteilt. Das Leben spielt sich unter der Haustüre und auf der Straße ab. Alles rückt sich in diesen Tagen voll unruhiger Spannung, bei herrlichstem Frühlingswetter, menschlich näher. Im Pfarrhaus ist bis unter den Dachboden alles belegt: 2 deutsche Soldaten, 8 Fliegergeschädigte und Evakuierte sind untergebracht. Auch in der Kinderschule schlafen Ostflüchtlinge aus Schlesien, gebürtige Schwander. Gegen ½ 5 Uhr kommt ein Verbindungsmann der Amerikaner zum Bürgermeister, der Ort wird freigegeben, die Panzer für abends 7 Uhr angekündigt. Alles atmet wie von einem Alpdruck auf. Das Dorf ist nicht besetzt, es ist keine SS-Abteilung da, keine Flak mehr. Die Fliegergefahr, der so viele Dörfer zum Opfer gefallen waren, ist vorüber, der Ort ist erhalten und bewahrt, Gott sei Dank! Allmählich begreifen die Leute, daß für sie nun endlich der Friede angebrochen ist. Niemand denkt an Flucht in die Wälder. Wie schnell müssen jetzt die Hitlerbilder von den Wänden, die Abzeichen, Tafeln, Parteibilder entfernt werden! Wie müssen sich jetzt allerlei Leute umgewöhnen!
Glücklicherweise geht der elektrische Strom wieder, so daß Rundfunkempfang möglich ist, leider nur für kurze Zeit. Alle durchgekommenen Soldaten der letzten Tage, die man ansprach, hatten den Krieg satt bis zum Halse, auch die Offiziere. Die Fremdarbeiter, die Polen, Ukrainer, Russen jubeln, daß ihre Befreiung naht. Sie beziehen das Lager im Keller der Brauerei, das von der Hundestaffel geräumt worden war. Die gefangenen Neger warteten am Waldesrand hinter Schwand das Eintreffen der amerikanischen Panzer ab.
Pünktlich 7 1/4 Uhr kamen die Panzer und Spähwagen an, von Leerstetten über Harm, Hagershof, während deutsche Truppen und Arbeitsdienstmänner fluchtartig über die Felder in die Wälder liefen. Ein Teil der Panzer war überraschend nach Rednitzhembach vorgestoßen, der andere Teil kam von der Sooß her auf Schwand zu. Sie hielten zur Vorsicht am Waldesrand, schossen mit Maschinengewehren, gaben 6 Schuß zur Warnung mit ihren Geschützen ab, und als kein Gegenschuß fiel, rollten sie langsam zum Ort, wo ihnen die Leute entgegenkamen. Weiße Fahnen waren nicht zu sehen. Alle Leute standen in Erwartung auf der Straße. Beim Bürgermeister erfolgte die Übergabe. Die Funkmeldung an die drohend über dem Ort schwebenden Tiefflieger wurde weitergegeben, der Ort war besetzt. Die meisten Panzer fuhren den Meckenloher Weg hinaus, andere die Harrlacher Straße. Die allgemeine Erregung war groß. Durch Ausschellen wurde die Ablieferung der Waffen, Gewehre, Munition, Panzerfäuste verfügt, die Ausgehzeit war von abends 9 Uhr bis früh 7 Uhr gesperrt, am folgenden Tag sogar von abends 8 Uhr an. Der Gendarmeriemeister hatte sich in Uniform und mit Hitlergruß gestellt und wurde sofort festgenommen. Nachts ½ 1l Uhr, mit Dunkelheit, wurde an der Pfarrhaustüre geschellt, es gab Überraschung und Schreck: Schwarze standen draußen und suchten Quartier, die frei gewordenen Gefangenen, die sich jedoch ordentlich und anständig benahmen. 3 von ihnen waren im Pfarrhaus über Nacht, ein Neger aus Südafrika, Transvaal Pretoria, ein Engländer, der in Libyen gefangen worden war und dann in Rüstungsbetrieben gearbeit hatte, ferner 2 Sudanneger aus Französisch-Kongo, Mohammedaner mit ihrem Koran. Es war möglich, sie am folgenden Tag loszubringen. Die Nacht war sehr unruhig mit Detonationen von Artilleriebeschüssen in nächster Nähe. Die Leute werden wenig geschlafen haben.
Sperberslohe war am selben Tag besetzt worden, unter sehr kritisch verlaufenden Umständen, denn zahlreiche SS-Leute lagen im Dorf, als schon die Panzer einfuhren. Eine weiße Fahne, die eine mutige alte Frau entgegentrug, hatte den Beschuß der Ortschaft beendet. Doch war die SS in den Wäldern eine ständige Bedrohung für die nächsten Tage, in denen der Ort unter deutschem Artilleriebeschuß lag.
Mi. 18. April: Der Kampf um Nürnberg geht weiter. Schwabach und Roth sind noch nicht gefallen und hemmen den Vormarsch der Amerikaner. Es sind wohl viel weniger Tiefflieger zu hören, aber die Schießerei der Panzer und der Artillerie, die bei Hagershof Stellung genommen hatte und nach Schwabach zu schoß, hört nicht auf.
In Rednitzhembach, wo die Panzer am Vorabend eingedrungen waren, war ein Haus am Ortseingang ausgebrannt. Während die Panzer schon im Anrücken waren, trieb sich noch SS im Ort herum. Trotz Warnung sprang ein junger Bursche, während sich die anderen drückten, noch mit einer Panzerfaust den Amerikanern entgegen, flüchtete dann in den Hof des Anwesens. Die Panzer schossen mit Brandmunition und erschossen den Burschen, der leicht Unglück über den ganzen Ort hätte bringen können, obwohl er von den Nachbarn gewarnt worden war. Er ist auf dem Friedhof in Rednitzhembach begraben Auch in Schwand war, wie man nachher hörte, ein junger Bursche im Wald nach Leerstetten zu mit der Panzerfaust umhergelaufen, trotz Warnung durch die Leute. Was hätte das für Unheil geben können, wenn die Panzer von Leerstetten her gekommen wären und es wäre am Ortseingang geschossen worden!
Mittags heißt es plötzlich zu aller Schrecken: Die SS kommt aus den Wäldern! Von den Panzern, die an den Ortsausgängen Stellung genommen hatten, wurden beständig die Waldränder nach Harrlach, Meckenlohe und der Sooß beschossen. Dazwischen sausten Artilleriegranaten zischend und heulend über das Dorf hin und schlugen kurz dahinter am Wald nach Meckenlohe zu ein. Ein deutscher Panzer war von Meckenlohe her auf dem Fußweg bis zum zweiten Wäldchen vor Schwand vorgedrungen und schickte einige Granaten ins Dorf. Ein Trupp SS-Männer drang bis zum Weiher vor. Sie zogen sich bei der Schießerei bald wieder zurück. Bis zum Abend ging das Krachen und Knallen mit größeren Pausen weiter, während die Kinder ruhig spielen und die Leute auf der Straße stehen und gehen, als wäre die Lage nicht unheimlich und bedrohlich gewesen, weil die SS die ganzen Wälder rings um Schwand besetzt hielt. Man konnte den Ort nicht verlassen.
Gegen 6 Uhr abends wurde die von Tieffliegern erschossene Frau kurz eingesegnet, ohne Trauerzug. Unter der Feier ging das Bellen und Krachen der Maschinengewehre und Panzerkanonen weiter. Um 8 Uhr erschrak alles durch heftiges Schießen mitten im Ort. Es waren die Warnschüsse zur Räumung der Straßen. Die Nacht war im ganzen ruhiger als zu befürchten war. Hin und wieder gab es heftige kurze Beschießungen. Früh war ¾ Stunden lang Artilleriebeschuß in Richtung Schwabach. Am andern Tag kam aus Rednitzhembach die Nachricht, daß am Mittwoch nachmittags ein alter Mann in seiner Stube durch einen Artilleriesplitter an der Schläfe getötet worden war. Aus der Maislach bei Schwabach schoß die deutsche Artillerie nach Rednitzhembach herüber und beschädigte mehrere Häuser. Das Schulhaus in Schwand ist mit 80 Holländern belegt, die aus dem Lager Röthenbach hierher kamen und die von der Gemeinde verpflegt werden müssen.
Die Polen und durch diese die Amerikaner gerieten über das Weinlager im Keller der Brauerei, in dem 16 000 Liter Wein verlagert waren. Durch Betrunkenheit ereigneten sich allerlei schlimme Zwischenfälle, vor allem mit den Polen, die aufgehört hatten zu arbeiten.
Do. 19. April: Der Vormarsch der Amerikaner stockte, nach keiner Seite war der Weg frei und Roth und Schwabach noch in deutscher Hand. In den Wäldern im Umkreis um Schwand steckten lauter SS-Truppen. Tiefflieger tauchten wieder auf, es krachte beständig in der Umgegend. Den Widerstand, den die Panzer in Pfaffenhofen fanden, wußten sie geschickt zu umgehen. Über Pruppach-Treffersäge drangen sie auf dem Waldweg überraschend von Osten her über die Höhe dort ein. Die Munitionswerke Pfaffenhofen fielen unbeschädigt in ihre Hände. Die SS hatte sich im letzten Augenblick noch aus Pruppach zurückgezogen. Am Nachmittag waren Schwabach und Roth gefallen, der Weg für die 7. Amerikanische Armee war nach Süden frei. Lange Kolonnen von Panzern kamen immer wieder durch Schwand, dazu Lastwagen, Autos, in Richtung Rednitzhembach und Furth. Alle Häuser in Schwand wurden nach Soldaten durchsucht, Waffen, Feldstecher, Fotoapparate mußten abgeliefert werden. Wein wurde an die Leute verteilt, eimerweise konnten sie sich Weißwein und Rotwein holen. Am Abend kamen lange Truppenkolonnen an, in Reihen nebeneinander waren Autos, Kraftwagen, Panzer abgestellt, auf der Straße, in den Nebenwegen und Bauernhöfen. Es gab sehr starke Einquartierung. Auch im Pfarrhaus quartierten sich 5 Amerikaner ein, darunter ein Dolmetscher. Sie speisten gut in der Küche, die Unterhaltung dauerte bis spät in die Nacht. Sie waren glänzend ausgestattet und verpflegt, aber sehr ängstlich. Plötzlich fuhren sie auf: ein deutsches Flugzeug hatte sich in der Nacht bemerkbar gemacht. Mehrere Nächte lang tauchte ein solches einzelnes Flugzeug auf und warf hin und wieder auch Bomben.
Mit der SS-Bedrohung von Schwand war es nun endgültig vorüber. In dieser Nacht, der ersten ruhigen Nacht, von vereinzelten Schüssen abgesehen, schliefen im Pfarrhaus 21 Leute.
Fr. 20. April: Panzer aller Art und Größe, schwere und leichte Lastwagen, Raupenschlepper, kleine Fordwagen fuhren in langen Kolonnen durch den Ort, meist in Richtung Rednitzhembach, dann auch nach Meckenlohe, wo sie mittags eintrafen und den Ort besetzten. Die SS hatte sich kurz zuvor zurückgezogen, nachdem sie tagelang Schwand von den Wäldern aus beunruhigt hatte. Von Meckenlohe und von Schwand aus wurde Harrlach besetzt. Tags zuvor war die SS mit ihren Panzerfäusten abgezogen, weil sie Einkreisung befürchtete. Sie hatte sich dann in Allersberg festgesetzt. Es wird mit einem Mal viel ruhiger, wenig Flieger sind mehr zu sehen und zu hören. Man spürt: Die Front ist viel weiter nach Süden gerückt. Für Schwand ist der Krieg mit seiner ständigen Bedrohung vorüber, es gibt keine Fliegeralarme, keine Sirenen, kein Kellersitzen mehr. Alle Dörfer der Pfarrei waren nunmehr von den Amerikanern besetzt.
Mittags wurden der Volkssturm und die Wehrmachtsangehörigen unvermutet in Lastwagen abgefahren und in Lager verbracht, ohne rechte Ausstattung und ohne Abschied. Die Ungewißheit des Kommenden, das Fehlen aller Nachrichten von außen, das Abgeschnittensein von den nächsten Angehörigen in der Umgebung lastete auf den Leuten.
Polen, Fremdarbeiter voran, Amerikaner betranken sich tagelang an dem Wein, der zuvor den Volksgenossen, den Kranken, den Soldaten vorenthalten war. Der Wein hat viel Unheil angestiftet und Unruhe gebracht.
Rednitzhembach hat strafweise, weil es verteidigt worden war, täglich nur 2 Stunden Ausgang, früh 8-9 Uhr, nachmittags von 3-4 Uhr, für einige Tage. Niemand kann bis Rednitzhembach kommen, nur bis zur Fichtenmühle, während die Straße nach Leerstetten frei ist. Ohne Beisein eines Pfarrers wurden auf dem Friedhof Rednitzhembach zusammen mit dem verunglückten alten Mann noch eine Reihe von deutschen Soldaten beigesetzt, ohne Geläute, ohne Gesang, in überstürzter Eile nach Anordnung der Militärverwaltung, 6 Soldaten, davon 3 gefallen am 17. April, einer am 19. April und 2 durch eine Tellermine bei Plöckendorf am 19. April. Ein 7. kam am 22. April dazu. Auch die Amerikaner hatten einige Mann Verluste in der Sooß bei Mittelhembach, wo ein Raupenfahrzeug durch eine Panzerfaust erledigt worden war. Die ganze Nacht hindurch fuhren Panzer, Lastwagen, Artillerie, Autos auf der Straße durch Schwand nach Rednitzhmbach, doch gab es keine Einquartierung. Ein deutsches Flugzeug warf in nächster Nähe nachts eine Bombe ab, daß die Häuser schwer erschüttert wurden. Sonst gab es keine Schießereien.
Sa. 21. April: Vom Kriegslärm hört man stundenlang nichts, außer vormittags einige Artillerieschüsse. Man merkt, daß die Front ein gutes Stück weiter gerückt ist. Lediglich die Wälder sind noch unsicher. Es besteht Gefahr für Zivilisten. Die Straße nach Leerstetten und Furth ist frei. Man kann noch immer den Ort kaum verlassen. Die Russen kommen fort. Alles hofft, daß auch die Polen bald fortkommen sollen. Nachmittags war ein schweres Gewitter mit Wolkenbruch über Schwand. Nachts fingen 10 Geschütze der schweren Artillerie der Amerikaner, die in Harrlach aufgestellt waren, nach Allersberg zu schießen an. Auch westlich Schwand schoß Artillerie, daß die Häuser bebten, die ganze Nacht hindurch. Deutsche Artillerie antwortete jedoch zu kurz in den Wald oder über Harrlach hinweg. Der dreitägige Kampf kostete 52 Soldaten und Zivilisten in Allersberg das Leben. Ein ganzer Teil des Ortes ist völlig zerstört worden. Warum? Weil die SS auf dem Standpunkt war: Es muß verteidigt werden! Und wenn es noch so sinnlos war.
So. 22. April: Vor dem Gottesdienst fuhr eine endlose Kolonne mit schweren Panzern, Kraftfahrzeugen, Autos eine Stunde lang durch. Im ersten Gottesdienst nach dem Umschwung wurde über Psalm 103 gepredigt.
Seit 8 Tagen kommen Nachrichten vom Kriegsverlauf, von der Politik überhaupt nicht mehr durch, es geht kein Lautsprecher, es gibt kein Licht, der Telefonverkehr ist unterbrochen, es gibt keine Zeitungen - es geht auch ohne das! Abgeschnitten lebt das Dorf ganz für sich.
Es stellt sich heraus, daß für die 7. Amerikanische Armee tatsächlich die Haupt Nachschubstraße Nord-Süd durch Schwand hindurchgeht, von Nürnberg her und dann über Roth nach Süden zur Donau. Die Brücke bei Reichelsdorf war gesprengt worden, also die Hauptstraße Nürnberg - Schwabach - Roth unterbrochen. Ebenso war die Autobahn Nürnberg - Allersberg gesprengt worden. So verblieb nur die schmale Straße durch Schwand und die durch Sperberslohe. Tag und Nacht, fast ununterbrochen, rollten unübersehbare Kolonnen, Auto hinter Auto, an den beständig erschütterten, bebenden Häusern vorbei. Man sah neben Panzern ganze Lazarettzüge, Nachschub aller Art, Pionierfahrzeuge, besondere Spezialfahrzeuge mit Pontons größten Ausmaßes. Die Verkehrsdisziplin der Amerikaner war auffallend gut. Der Riesenverkehr wickelte sich auf den schmalen Straßen, besonders durch die Sooß, in Ordnung, Ruhe, Reibungslosigkeit ohne Fluchen, Lärmen, Tuten ab, am Tag wie bei der Nacht. Steckengebliebene Fahrzeuge wurden in kürzester Frist wieder flott gemacht, aus den tiefen Gräben herausgebracht. Das ununterbrochene Rollen der Kraftfahrzeuge, das Erschüttern der Häuser war zuletzt kaum mehr erträglich und ging auf die Nerven. Schwand kann sich rühmen, einen beträchtlichen Teil der 7. Armee gesehen und erlebt zu haben. Wenigstens die schlechte Straße durch den Ort mit dem holperigen Pflaster wurde durch die zahllosen Panzer etwas glatter gewalzt.
Am Nachmittag war es sehr kalt und regnerisch. Es kamen große Mengen von Infanterie an, die zum Streifendienst durch die Wälder eingesetzt waren. Eine Menge kamen in die Häuser, darunter Schwarze und Tschechen, die verschiedentlich plünderten und stahlen. Auch in den Dörfern waren sehr starke Einquartierungen, aber die größere Masse der Truppen hatte in den Wäldern dicht bei den Ortschaften die Nacht über verbracht. Es müssen Tausende die Wälder gesäubert haben. Für viele Häuser war der Sonntag schlimm, da allerlei Plünderungen vorkamen. Auch war es drückend für die Leute, daß immer wieder ganze Häuser für die Amerikaner auf kürzere oder längere Zeit geräumt werden mußten, und zwar binnen kürzester Frist.
Mo. 23. April: In der Frühe ging auffallend viel Pioniermaterial, Panzer, Artillerie durch den Ort. Nachmittags ließ der Nachschub sichtlich nach. Die Straße Nürnberg - Schwabach über Reichelsdorf war jetzt frei, sie nimmt den Hauptverkehr auf. Rednitzhembach dagegen erlebt noch weiterhin für Wochen den ganzen Verkehrsstrom. Für Schwand kam eine Nacht mit auffallender Verkehrsstille.
Die Bekanntmachungen der Alliierten werden angeschlagen, der Ort darf vorläufig nicht verlassen werden. In den Wäldern ist es noch nicht sicher, im Blick auf SS, Polen, Russen u. a. Ab und zu fallen noch Schüsse zum Waldesrand. Der Verkehr wird immer geringer, nur hin und wieder fahren kleine Kolonnen durch, Panzer, Pioniernachschub, Rotkreuzwagen.
Di. 24. April: Nachdem schon am So. ein Methodistenfeldgeistlicher (Chaplain) aufgetaucht war, aus Boston, der über Nacht im Ort blieb und abends einen kleinen Abendmahlsgottesdienst in der Schwander Kirche hielt, auch im Pfarrhaus sich vorstellte, kam Di. abends spät mit der Streifwache ein junger Soldatenpastor, auch Methodist, ins Pfarrhaus. Von ihm waren die ersten Nachrichten über den Frontverlauf zu erfahren: Die Russen stünden im Zentrum von Berlin, die Amerikaner in den westlichen Außenorten. Hamburg sei britisch, Leipzig, Dresden amerikanisch. Die Russen stünden vor Prag. Im Süden hätten die Amerikaner nach rascher Donauüberquerung Augsburg genommen. Was ist vom Deutschen Reich eigentlich noch übrig? Wann ist endlich der Krieg zu Ende? Welchen Sinn hat noch jeder weitere Tag des Kampfes?
Die Zahl der Leute, die in diesen Wochen in Schwand wohnten oder untergebracht waren, denn der Ort war vollgestopft mit Saarländern, Flüchtlingen, Fliegergeschädigten, muß etwa 1000 wenn nicht mehr betragen haben, abgesehen von einquartierten Amerikanern. Im Pfarrhaus schliefen noch 14 Leute, die Hälfte nicht zur Pfarrfamilie gehörig, Fliegergeschädigte, Zufluchtsuchende.
Mi. 25. April: Die ersten Bauern fahren wieder auf die Felder. Der Straßenverkehr ist ruhig geworden, das Wetter ist herrlich. Am Abend ist wieder Motorengeräusch eines deutschen Tieffliegers wie in vielen anderen Nächten zu hören.
Do. 26. April: Viele Nürnberger wagen es jetzt, mit dem Rad zur Stadt zu fahren und sich umzusehen, obwohl die Wege im Blick auf die Polen und Russen, die Fahrraddiebe, unsicher sind. Die Bauern gehen aufs Kartoffelstecken hinaus. Auch in den nächsten Tagen wird es ruhiger und stiller, friedensmäßiger, kein Schuß ist mehr zu hören, fast keine Flieger zu sehen.
So. 29. April: In Schwand war ein sehr stark besuchter Trauergottesdienst für Frau Vitzethum unter großer Anteilnahme der Gemeinde. Nicht einmal ihr Mann konnte daran teilnehmen, weil ihn die Amerikaner mit anderen Wehrmachtsangehörigen in ein Lager abtransportiert hatten. Die Leute aus den Dörfern Meckenlohe, Harrlach, Harm kamen zum erstenmal wieder ins Gotteshaus. Organistenschwierigkeiten hatten schließlich behoben werden können: Der 12jährige Pfarrerssohn mußte mit auf die 0rgelbank und spielte zur Verwunderung der Gemeinde. Nachmittags fand in Rednitzhembach Trauergottesdienst für den alten Mann statt, der durch eine deutsche Granate ums Leben gekommen war, mit nachgeholter Einsegnung am Grabe. Auch dieser Gottesdienst war sehr stark besucht. Spät abends kam wieder ein deutsches Flugzeug, es fielen zahlreiche Schüsse, auch fiel eine Bombe in der Umgebung.
Mo. 30. April: Die Bauern fahren wieder allgemein auf die Felder. Man hört, daß die Polen aus den Lagern auf Stehlen und Plündern ausziehen, die Leute mit Waffen bedrohen, unterwegs den Leuten, besonders den Frauen, die Fahrräder abnehmen. Durch die Amerikaner werden auf der Hauptstraße in Schwabach massenweise Fahrräder beschlagnahmt, eine den Leuten unverständliche Maßnahme, da ihnen die Bestimmung nicht bekannt ist, daß Hauptstraßen nicht von Radfahrern benutzt werden dürfen. Dabei stellt das Fahrrad das einzige Verkehrsmittel dar, auf das alle angewiesen sind.
Di. l. Mai: Endlich nach 14tägiger Pause ging das ersehnte elektrische Licht wieder an. Damit war wieder Rundfunkempfang möglich, es konnten wieder Nachrichten gehört werden. Alle möglichen Gerüchte waren im Umlauf. Am Abend trifft die Nachricht von Hitlers Tod und Mussolinis Ende ein. Der Traum von Deutschlands Herrlichkeit; von menschlicher Größe und von Menschenvergötterung ist ausgeträumt, das deutsche Volk ist bis an den Abgrund geführt worden. Das ist das Ende eines Weges, der schon 13 Jahre voraus zu sehen gewesen wäre, wenn nicht Unzählige die Opfer einer beispiellosen Verblendung gewesen wären.
Ein fanatischer Nazi-Oberleutnant hatte in Meckenlohe Unterschlupf gefunden. Er wurde in einem Bauernhaus aufgestöbert und zum Ergeben aufgefordert. Vier Amerikaner standen schußbereit vor der Haustüre. Er zog eine Handgranate ab, um sie durch die offene Haustüre zu schleudern. Doch blieb sie an seiner Montur hängen und zerriß ihm den Leib, daß er tot liegenblieb. Die Splitter verwundeten die Amerikaner, einen davon schwer. Der Soldat, Träger des Eisernen Kreuzes I. und des Deutschen Kreuzes in Gold, ausgerüstet mit Sprengmitteln, Fanatiker bis zum Letzten, voll von Plänen für neue Sprengungen, nachdem die Amerikaner bereits 14 Tage Herren im Lande waren, mit all ihrer Übermacht, hätte um ein Haar schwerstes Unheil über das ganze Dorf gebracht, obwohl er von den Leuten gewarnt worden war. Was hätten die Amerikaner getan, wenn ihre 4 Soldaten in Meckenlohe den Tod gefunden hätten? Was war das für ein völlig sinnloser Widerstand kurz vor der endgültigen Niederlage! Der tote Soldat wurde nach seiner Freigabe am 7. Mai in Schwand auf dem Friedhof mit einer Einsegnung beigesetzt. Wie sich später herausstellte, war er ein Pfarrerssohn.
In den nächsten Tagen treffen immer wieder heimlich Soldaten in Zivil ein, die sich heimwärts durchschlagen, auch Offiziere, Büblein, die zu Flakhelfern einberufen waren. Selbst am Tag sind verkleidete Soldaten anzutreffen, die alle heim wollen. Auch ein Insasse des KZ-Lagers Dachau kommt durch Rednitzhembach.
Mo. 7. Mai: Nachmittags trifft gerüchtweise die Nachricht von der Kapitulation aller deutschen Streitkräfte ein, zugleich die von der Fortsetzung des Kampfes um Prag und Böhmen, wo der letzte deutsche Widerstand erst am 14. Mai gebrochen war. Am Abend bringt der Rundfunk die Bestätigung dieser Meldung.
Di. 8. Mai: Endlich ist Frieden! Das seit 6 Jahren ersehnte Ende des Blutvergießens, das Aufhören des grausamsten und brutalsten unter allen Kriegen auf Erden, der Millionen ins Elend gestürzt hat, ist endlich gekommen! Um 9 Uhr läuten die drei Glocken in Schwand den Frieden ein. Für manche war es ein schwerer Tag, weil sie furchtbare Opfer haben bringen müssen, und nun ist der Krieg doch verloren!
In Rednitzhembach, Roth, Schwabach sind starke Einquartierungen der bereits zurückflutenden Amerikaner. Viele Evakuierte aus Nürnberg kehren mit ihrem Hausrat zurück. Täglich ziehen die Leute mit Wägen, Fahrrädern, Handwägen, beladen mit Koffern, auf dem Weg nach Nürnberg durch. Viele Wehrmachtsangehörige in Zivil suchen sich heimwärts durchzuschlagen. Es ist so unsäglich traurig mit anzusehen, wenn sie sich wie Bettler, oft noch schlimmer, fußkrank durchschlagen müssen. Die Franzosen sind aus dem Dorf fortgekommen, teilweise die Holländer. Die Polen und Russen sind noch im Lager Schwabach an der Rother Straße. Einzelne Schwander und Rednitzhembacher kehren auf abenteuerliche Weise heim. Etwa 11 Flakhelferinnen halten sich immer noch im Ort, da sie nicht mehr heim ins Rheinland, nach Norddeutschland können. Sie wissen alle nicht, wie es daheim aussieht.
Do. 10. Mai: Endlich kann wieder Himmelfahrt unverboten gefeiert werden. Der Gottesdienst und die Abendmahlsfeier fand unter stärkster Beteiligung der Gemeinde statt. Es mußten sogar die Hostien geteilt werden, damit sie ausreichten. Es war für unsere Bauern und Arbeiter schon immer eine Sache gewesen, die sie innerlich wurmte, daß der Himmelfahrtstag abgeschafft werden sollte. Darum kamen sie diesmal umso freudiger. Der Gottesdienst trug Bekenntnischarakter. Der heimliche Sieg Christi über seine Feinde, die ihm den Weg zu seinem Throne sperren wollten, war nun offenbar geworden: Jesus Christus herrscht als König!
Immer häufiger kommen Wehrmachtsentlassene durch. Alles blickte voll Verwunderung, als ein Schwander Pferdegespann mit lauter deutschen Soldaten in Uniform durch das Dorf kam. Sie waren von Salzburg her getippelt und erzählten, daß Tausende hinter ihnen nachkämen. Zahllose Bombenflüchtlinge ziehen täglich zu Fuß, mit Rädern und Handwagen, Kinder, Kranke darauf, heimwärts nach Nürnberg. Die Holländer sind fortgekommen, die ganzen Fremdarbeiter, für viele Bauern keine leichte Sache, da nun die Arbeitskräfte fehlen.
So. 13. Mai: Exaudi! In beiden Kirchen fanden Friedensdankgottesdienste statt, in Rednitzhembach früh, in Schwand nachmittags. Beide Gottesdienste waren ungewöhnlich gut besucht, in Schwand war das ganze Kirchenschiff voller Leute, und das will etwas besagen. Es wurde über Klagelieder 3. 23-24 gepredigt: »Die Güte des Herrn ist's, daß wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende! Deine Treue ist groß!« Es wurde gesungen: »Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, dem Vater aller Güte!« Nach dem Segen stimmt die Gemeinde unter Glockenläuten in das alte Friedensdanklied des 30jährigen Krieges ein: »Nun danket alle Gott!« Es zeigte sich eine ungewöhnliche Opferbereitschaft und Freudigkeit in der Gabensumme von über 1440 Mark, mit vielen Dankopfern.
Wenn die Bilanz dieses Krieges für Schwand und die Dörfer gezogen werden soll, dann kann man nur sagen: Es ist viel gnädiger abgegangen als zu befürchten war, es hat im ganzen nur zwei Menschenleben gekostet, nur ein Haus in Rednitzhembach ist ausgebrannt, alle anderen Häuser, Scheunen, Ställe sind erhalten geblieben. Den Leuten ist ihr Eigentum bis auf kleinere Plünderungsschäden, die verschmerzt werden können, bewahrt geblieben. Im Ganzen haben sich die Amerikaner anständig und freundlich benommen, wenn auch überaus ängstlich. Plünderungen fanden verhältnismäßig selten statt, meist in Fällen, wo Polen, Russinnen, Fremdarbeiter die Angeber machten und dahinter standen, wo es sich um Betrunkenheit handelte, wo Hitlerbilder und andere Parteiinsignien gefunden wurden, wo die Leute ihre Häuser für einen oder mehrere Tage verlassen mußten, wo sie sich wenig entgegenkommend oder gar aufsässig verhielten. Es sind Fälle von tagelanger, wochenlanger Besetzung von einzelnen Häusern bekannt, bei denen nicht das Geringste wegkam. Auf alle Fälle hatte jedermann reichlichsten Grund zur Dankbarkeit.
Vielen fällt es gewiß schwer, sich nun innerlich umzustellen. Denn mit der Herrlichkeit des »Tausendjährigen Reiches« war es rasch zu Ende, schon nach 12 Jahren. Die neuen Götter unserer Zeit waren schnell entthront und ihre Macht gebrochen. Endlich ist es möglich, aus dem angespannten, ziellosen Dahinleben von Tag zu Tag in Untätigkeit und Zwecklosigkeit heraus wieder nach vorwärts zu blicken in die schwere Zukunft. Nun ist nicht mehr Zerstörung und Vernichtung das grausige Wort des Tages, sondern Wiederaufbau. Wird unser Volk die schwere Heimsuchung Gottes verstehen, die kommen mußte, weil es sich von Gott abgewendet hatte? War nicht Gottes Eingreifen von oben sichtbar zu spüren? Auch die tiefe Erniedrigung unseres Volkes ist in Gottes Erbarmen eingeschlossen. Er kann auch die kommende ernste Notzeit überwinden helfen.
Schwand, den 7. August 1945
Pfarrer Georg Rusam
Zusammengestellt mit freundlicher Unterstützung von Herrn Prof. Dr. Hermann Rusam
Schwanstetten im November 2010
Alfred J. Köhl