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Ortsteil Schwand

Ehemaliges Richterhaus,



im Kern stattlicher Fachwerkbau des 17. Jahrhunderts,
Aufstockung mit Fachwerkgiebel 1918. (Flur Nr. 8 Gemarkung Schwand)
 
 
Hausname: Richterhaus
 
Situation: 

Das Haus steht giebelständig in der Nürnberger Straße, der ehemaligen Herrengasse, dem politischen Zentrum im Altort 

von Schwand. Nördlich ist das alte Schul- und Mesnerhaus, südlich das Wildmeisterhaus. Gemeinsam mit den beiden anderen Gebäuden bildet es ein Ensemble aus, in dem es städtebaulich unverzichtbar ist. Diese städtebauliche Situation verdeutlicht und unterstreicht den Denkmalscharakter, wie dies auch die sozialhistorische und architekturgeschichtliche Bedeutung tun.
Im rückwärtigen Hof befand sich eine ältere Scheune, die nach der Herausnahme aus der Denkmalliste 1982 abgebrochen wurde.
 
Datierung: 
Nach einer dendrochronologischen Untersuchung kann kein fester Zeitpunkt analysiert werden (um 1600 mit großem Spielraum). Der vertikal betonte Sichtfachwerkverband im Inneren wie auch die ornamentale Putzritzung der Gefachfüllungen legen eine Datierung um die Mitte des 17. Jahrhunderts nahe. Hinzu tritt die Raumhöhe und die Fassung (Farbgebung). Die Quellen unterstreichen die Datierung: Eine Baurechnung von 1638 liegt vor. Für die Zeit von 1632 (Nach Zerstörung des Ortes durch die Truppen Wallensteins) bis 1652 amtierte der Richter wegen der Kriegszerstörungen vorübergehend im Pfarrhaus. Eine Verbindung zum Neubau des Hauses nach dem Dreißigjährigen Krieg ist naheliegend.
 
Geschichtlicher Zusammenhang: 
Die Nürnberger Straße ist das ehemalige politische Zentrum. Bereits aus dem Jahr 1375 gibt es eine erste Erwähnung eines Richters in Schwand; die niedere und höhere Gerichtsbarkeit war bis 1806 im Ort.
Nach dem "Grund- und Lagerbuch" bewohnte 1886 Julie Meier, geb. Krumm, das Haus. Sie ist wohl eine direkte Nachfahrin der Richterfamilie Krumm, die hier lange Zeit residierte und das Gebäude nach der Auflösung des Amtes übernahm.
Nach dem Katasterblatt dürfte die Hofstelle ursprünglich größer gewesen sein, da das alte Schulhaus (nördlich) wie aus dem Grundstück herausgeschnitten wirkt.
 
Baugeschichte: 
Wohl um das Jahr 1638 als Fachwerkhaus über einem Vorgängerbau errichtet (Fassungsreste bist weit unter das heutige Bodenniveau). Gute Befundlage: Die Gefache sind mit ihren ursprünglichen Füllungen und Fassungen erhalten und restauriert worden. Die rückwärtige Erweiterung und Aufstockung des Stalls erfolgte im Barock, wie auch der Austausch der rückwärtigen Fachwerkwand des Erdgeschosses (EG). Gegen 1900erfolgte der Einzug des preußischen Kappengewölbes (heute flach eingeschoben). 1918 wurde das Obergeschoss (OG) im "Schweizer Stil" aufgestockt, der alte Dachstuhl wurde dabei wieder aufgesetzt. Bis 1966 Austausch der restlichen Fachwerkaußenwände des EG.
Ab 1986 sehr gute, schonende Restaurierung.
 
Beschreibung:  
Das Gebäude wird giebelseitig von Osten her erschlossen. Der Hofraum umfängt rückwärtig und nördlich das Gebäude.
 
Außen:
Das ursprünglich erdgeschossige, nun zweigeschossige Haus mit Satteldach steht auf längsrechteckigem Grundriss mit einem nördlichen, rückwärtigen Anbau. Über dem verputzten Erdgeschoss erheben sich Fachwerkobergeschoß und -giebel mit den Streben-, Andreaskeuz- und Mannmotiven. Dabei wiederholt das junge OG dekorativ geklärt die Motive des Giebels. Rückwärtig und im seitlichen Anbau wird im OG ein einfaches Ständerstrebensystem sichtbar.
Deutlich wird, dass die Giebelfenster ursprünglich kleiner waren; sie waren zwischen den Brustriegeln eingefügt. Die Stürze sind nachträglich nach oben versetzt worden. Die Fenster im EG waren wohl ursprünglich Kreuzstockfenster mit Schlagläden.
 
Die Architektur liegt in der Tradition des Wohnstalls begründet, was sich an dem ehemaligen rückwärtigen Stall und der asymmetrischen Gliederung der Fassade des EG darstellt, die links eine große zweifenstrige Stube und rechts eine einfenstrige Kammer andeutet.
 
Innen:
Das Innere wird traditionsgemäß von einem breiten Gang erschlossen, der etwas auf die rechte Haushälfte verlagert ist. Er mündet in einen rückwärtigen Ausgang.
Die Räume sind allesamt von einer ungewöhnlichen Raumhöhe und zum kleinen Teil keiner konkreten Nutzung zuzuordnen. Ebenso sind alle Zimmer mit Sichtfachwerkinnenkonstruktionen ausgestattet, deren Gefache verputzt sind und viele reichhaltige Fassungsreste erkennen lassen. Die Befunde zeigen an, dass man es mit einem bedeutenden Denkmal zu tun hat.
 
EG: Auf der linken Haushälfte beginnt die Raumaufteilung mit einer großen saalartigen Stube, die durch eine Bohlenbalkendecke geziert ist und von der rückwärtigen Küche über einen Kachelofen geheizt wurde und auch von der Küche her zugänglich ist. Es ist denkbar, dass hier richterliche Sitzungen abgehalten wurden. Die große, flachgedeckte Küche ist mit einem älteren Windfang ausgestattet und birgt die Erschließung des Kellers, der seinerseits mit Brunnen ausgestattet ist. Rückwärtig ist eine Kammer mit ehemaligen Kachelofen eingefügt.
 
Auf der rechten Haushälfte ist eine Kammer mit Bohlenbalkendecke, die eventuell die alte Amtsstube ist. Später wurde sie als Polizeiamtsstube genutzt. Auf sie folgen zwei weitere Räume, die in ihrer Nutzung unklar sind. In den hinteren wurde die spätere Erschließung des OG eingefügt (im Kern Mitte 19. Jahrhundert), eine gegenläufige, oben angewendelte, hölzerne Podesttreppe. Rückwärtig ist der spätere, wohl barocke Stalleinbau unter dem sich (lt. mündlicher Überlieferung) ein weiterer Keller mit Brunnen befinden soll.
 
Im OG war ursprünglich nur der rückwärtige Teil ausgebaut. Dort befindet sich eine erhaltene Stube mit Bohlenbalkendecke und Kachelofen, an die seitlich eine ursprünglich kleinere Kammer anstieß, die jedoch im Barock erweitert wurde. Mit der Aufstockung wurde auch der fassadenseitige Speicherraum in Wohnraum umgewandelt, wobei der alte Dachstuhl mit wenigen Ergänzungen wieder aufgestellt wurde. Modern wurden im DG nun westlich zwei kleine Räume erstellt.
 
Ausstattungsdetails: 
Gute, konservierte Befundlage in allen Räumen; Bohlenbalkendecken in den beiden frontseitigen Räumen des EG und in der rückwärtigen Stube des OG. Die Gefache mit originaler Bestückung; zum Teil schwungvolle Putzritzungen mit parallelen Linien.
Älterer quadratischer Keramikbodenbelag in den beiden Räumen hinter der linksseitigen Stube. Die Anlage des Rauchfangs ist in der Küche erhalten, wie auch Abdrücke der alten Kachelofenbestückung. Die jetzt rekonstruierten Öfen entsprechen mit ihren Trichterkacheln Anlagen der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Abdrücke sprechen aber für höhere Öfen des 17. Jahrhunderts, die bereits in voller Höhe an die Wand anstoßen.
 
Konstruktion: 
Keller: Bruchsteinrundbogentonne, Brunnen ist quadratisch mit gehauenen Steinen gefaßt. Die Treppe ist ebenfalls behauener Stein. Die Erschließung ist geändert (ursprünglich wohl vom Flur her).
Aufgehendes Außenmauerwerk im EG: Ursprünglich insgesamt Fachwerkwände, auch rückwärtig, wie es restliche Zapfen der Innenkonstruktion zeigen. Wurden sukzessive gegen Sandsteinquader ersetzt; Hauptfassadenseitig eventuell Ziegel.
Darüber: historisierende Sichtfachwerkkonstruktion von 1918.
Innenkonstruktion: kräftiges Sichtfachwerk, gebeilt, gezapft, Gefache mit Lehm/Stroh-Gemisch, Ritzunterputz; Ritzung durch schwungvolle, barockisierende Doppellinien.
Böden: rötliche Keramikplatten unterschiedlicher Größe. Im Bereich des Eingangs Funde von (lt. Eigentümerin) gelb und grau engobierten Keramikplatten.
Decken: verputzte Felder zwischen Balkenlagen. In Stube EG und OG sowie rechter Kammer im EG Bohlenbalkendecken mit seitlichen Abfasungen.
In der alten Kammer im OG, ist die längsrechteckig gefelderte Decke von 1918 erhalten.
Dachstuhl: älterer, wohl barocker zweigeschossiger, doppelt stehender Kehlbalkenstuhl, gebeilt, gezapft, mit Holznägeln gesichert.
Dachdeckung mit Rundschnittbibern, doppelt.
 
Türen und Fenster: erneuert. Ursprünglich wohl Kreuzstockfenster mit Schlagläden im EG. Rückwärtig ältere Sterntür. Die Türen im Inneren sind historisierende Nachbauten mit alten Beschlägen.
 
Nutzung: Das Gebäude wird als Wohnhaus genutzt.
 
Erhaltungszustand: Keine Schäden, kein Befall
 
Allgemeines Urteil: Das Gebäude ist baulich sehr gut instandgesetzt. Auch die schonende, konservierende Restaurierung ist beispielhaft
 
Quelle und Literatur: 
Denkmalkartierung der Marktgemeinde Schwanstetten von 1995, Autor: M.A. Hermann Schubach
Bewahrung und Erneuerung. Denkmalprämierung des Bezirks Mittelfranken, hrsg. von Kurt Töpner und Hartmut Schätz, Bergatreute 1993
Denkmäler in Bayern, Bd. 5 - Mittelfr., hrsg. Michael Petzet, München 1986, S. 476
Schwand 1986. Festschrift zur 800-Jahr-Feier von Schwand, hrsg. Markt Schwanstetten, bearb. v. Barbara Neumann, Schwanstetten 1986, S. 23-30
Freytag, Waltraud, Die geschichtliche Entwicklung der Marktgemeinde Schwand unter Berücksichtigung der Kirche bis zum 20. Jahrhundert, in: Heimatkundliche Streifzüge, Schriftenreihe des Landkreises Roth, Bd. 1, 1982, S. 23-55
StAN, BA Schwabach, 212, Nr. 145: detaillierte Baurechnung von 1638 (Kopie im Besitz der Eigentümerin)
StAN, LRA Schwabach, Bauakten Teil I, Nr. 6038 (Aufstockung)
Staatl. Vermessungsamt Schwabach: Grund- und Lagerbuch. Acta der königl. unmittelbaren Steuerkataster-Commission, 1886. Darin enthalten die Aufzeichnungen von 1821 (Schwand), bzw. 1832 (Leerstetten, Harm, Mittelhembach, Furth)
Wachter, Emil, Beiträge zur Geschichte des Richteramtes Schwand, in: Schwabacher Tagblatt, vom 7. und 22. April 1955, fortgesetzt am 20. und 27. Mai 1955
Schwanstetten - Eine fränkische Marktgemeinde, hrsg. von Markt Schwanstetten, Schwanstetten 1993, S. 2


 
Schwanstetten im Mai 2013
Alfred J. Köhl