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Ortsteil Furth

Ostgiebel

Haus Nr. 6

Bauernhaus,
erdgeschossiger Sandsteinquaderbau mit Fachwerkgiebel, 1 Hälfte 19. Jh. (Fl. Nr. 809)

Hausname: (bis jetzt keiner ermittelt)

Situation: Der ehemalige Bauernhof steht innerhalb des historischen Ortskerns von Furth. Das Gebäude mit seinen abgebrochenen Anbauten ist von der Straße zurückgesetzt, was es von den ehemaligen Nachbarhöfen unterscheidet. Mit der historisch gewachsenen Umgebung, mit dem rückwärtigen Rest der Hofstelle ist das Gebäude jedoch immer noch ein wichtiges städtebauliches, historisches und sozialgeschichtliches Dokument. Zur Zeit ist die straßenseitige Hofstelle ungepflegt. Das Gebäude ist durch die in den 90er Jahren durchgeführten Abbrucharbeiten schwer geschädigt worden.

 

Datierung: Die Datierung nach Liste ist richtig. Zwar verweisen einige Merkmale, wie die Türformate und segmentbogigen Stürze, die Bohlen-Balkendecke in der Stube auf die barocke Tradition, jedoch stammt die Kehlbalkenkonstruktion wie auch der Phänotyp der Fassadengliederung aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. In diese Zeit müssen auch die Beschläge und das Schloß der Haustür datiert werden. Die Fachwerkinnenkonstruktion des Erdgeschosses, der Dachstuhl und das frontseitige Giebelfachwerk legen die Datierung ebenfalls nahe. Auf dem Urkataster von 1822 ist ein Gebäude an dieser Stelle eingetragen; jedoch mit anderer Stallausrichtung. Die Spuren im Gebäude und die Akten weisen auf eine Verlegung des Stalls hin, so daß von einer Identität der Gebäude ausgegangen werden muß.

 

Geschichtlicher Zusammenhang: Laut mündlicher Mitteilung war der Hof mit 180 Tagwerk Land der größte Hof von Furth. Das Urkatasterblatt bestätigt diese Aussage. Mit drei größeren und zwei kleineren Nebengebäuden und zwei Köhlerstätten (jenseits des rückwärtigen Bachs gelegen) war es der größte Hof und der einzige mit ortsnaher Köhlerstätte. Die auf der Karte sichtbaren zwei weiteren Köhlerstätten gehören zu Haus Nr. 5. Ansonsten ist eine einzige Brandstelle östlich des Ortes im Wald nachweisbar. Im Dachboden wurde zunächst Hopfen, später Tabak getrocknet. Der im Grund- und Lagerbuch eingetragene damalige Besitzer, Johann Distler, vollzog nach den Quellen mehrere tiefgreifende Veränderungen an dem Gebäude und errichtete die Stallerweiterung.

Ansicht von der Straße (von Norden)

 

Baugeschichte: Anfang 19. Jh. erbaut mit frontseitigem Wohn- und rückwärtigem Stalltrakt sowie nördlichem Keller (zerstört). In der Mitte bis 2. Hälfte des 19. Jahrhundert wurde das Erdgeschoss überformt (Türen); 1891 erfolgte ein weiterer tiefer Eingriff durch Johann Distler: Verlegung des Stalls auf die rechte Haushälfte und Einwölbung, sowie Einfügung zweier Zimmer in den rückwärtig linken Gebäudeteil, wie das neuere Mauerwerk zeigt (Plan von 1890, 1892 Bauabnahme); 1895 wurde der nördliche Stall angebaut (jetzt zerstört). Die Innenerschließung (Türstöcke, etc.) widerspricht dem Stall in der rechten Haushälfte. Dort ist die Ausführung von einem preußischen Kappengewölbe, das für den Umbau dokumentiert ist, festzustellen. Das 1. Dachgeschoss wurde für eine Wohnnutzung ausgebaut (Türen, Beschläge, etc.). Die große Belüftungsgaupe stammt aus dieser Zeit wie auch einige rindensichtige Balken des Kehlbalkenstuhls. 1995 Abriß der sozial- und volkskundlich interessanten Anbauten, des entstehungszeitlichen Kellers sowie des jüngern Aborts und des Stallanbaus.

 

 

Beschreibung: Der erdgeschossige Wohnstall auf dem annähernd quadratischen Grundriß steht traufseitig zur Straße, von der es etwas zurückgesetzt ist. Es wird giebelseitig von Osten erschlossen

Außen: Die transparente Architekturform des Wohnstalls erklärt die innere Struktur des Gebäudes, obwohl jüngere Überformungen Spuren hinterlassen haben. Noch immer ist die barocke Bautradition nachvollziehbar. Links von der mittigen Haustür ist eine zweifenstrige Stube erkennbar; rechts eine ehemals zweifenstrige Kammer. Darüber erhebt sich der hohe Fachwerkgiebel mit einem schlichten aber wirkungsvollen fränkischen Ständer-Streben-System, das den Dachstuhl als einen stehenden darstellt. Die ursprünglich kleineren WestgiebelKreuzstockfenster mit zweiflügeligen Schlagläden und die breit angelegte Haustür sind die Gliederungselemente der Fassade, die durch die Sandstein- und Fachwerksichtigkeit einen eigenen Reiz entwickelt. Der rückwärtige Giebel ist schlicht aus Sand- und Bruchstein aufgeführt.

Innen: Die Erschließung erfolgt über einen etwas nach rechts gelagerten breiten Flur, der 2/3 der Gebäudetiefe erschließt. Die Raumverteilung folgt den traditionellen Baugewohnheiten. Auf der linken Haushälfte befinden sich die Stube mit einer Bohlen-Balken-Decke und eigenem Durchgang zur schmalen, gewölbten Küche, von der aus sie beheizt wurde und die mit dem. Kamin versehen war. Rückwärtig ist eine weitere Schlafkammer in den ehemaligen Stall eingefügt worden. In der Flucht des Flurs war wohl die ehemalige Stallerschließung. Heute ist dort ein kleiner Raum. Giebelseitig rechts war wohl ursprünglich eine Kammer mit nachfolgender Speis und Kellerzugang (nördliche Fenstersituation). Erst darauf folgte der Stall, wie man an der Fenstersituation erkennt.

Der Zugang zum dreigeschossigen Dachgeschoss (DG) erfolgt über eine schlichte, gerade, einläufige Stiege, die im Flur parallel zur Traufseite angelegt ist. Im 1. DG wurden vier Kammern eingefügt, die alle das Gepräge der Jahrhundertwende tragen und dadurch volkskundlich interessant sind. Von hier aus war auch der abgerissene Abortanbau zugänglich. Im 2. DG und 3. DG wurde Hopfen und später Tabak getrocknet.

 

Konstruktion: Keller zerstört; vormals Rundbogengewölbe aus Sandsteinquadern, war an die nördliche Hauswand angefügt.

Aufgehendes Mauerwerk aus Sandsteinquadern, gefasst. Östlicher Giebel einfaches Sichtfachwerk mit Ständer-Streben-System, gezapft und mit Holznägeln gesichert; Gefache mit Bruchstein und Ziegeln, verputzt; auf rechter Haushälfte wurde für großes Fenster Ständer und Streben entfernt und Feld vermauert. Westlicher Giebel, Bruchstein. Innenmauerwerk ist Fachwerk, gebeilt; Gefache mit Bruchstein; Putz auf Rohrmatten. Im Stallbereich wohl Backstein oder Sandstein, verputzt; jüngere Vermauerung im rückwärtigen Bereich. Im 1. DG jüngere Kammereinbauten, mit Fachwerkwänden, Gefache mit Bruchstein- und Ziegelfüllung.

Decken: Im Stall befand sich ehemals preußisches Kappengewölbe; heute flache Einschubplatten zwischen den Trägern. Sonst überall Bretterdecken ohne Fehlboden; bis auf die Stube mit einer Bohlen-Balken-Decke.

Böden: überall jüngere Riemen, bzw. Dielenböden, bis auf rückwärtigen Flurbereich und Küche mit jüngeren Steinfliesen, sowie Stall mit Estrich. Ostansicht

Dachstuhl: interessanter, dreigeschossiger Dachstuhl. Im 1. DG mit dreifach stehendem Kehlbalkenstuhl; im 2. DG liegender Kehlbalkenstuhl, wobei beide Giebelgebinde stehend ausgebildet sind; Stuhlsäulen mit weit ausgreifenden Kopf- und Fußbügen, die die Gestalt eines liegenden Kreuzes annehmen; 3. DG auf Hahnenbalken. Die Balken sind alle gebeilt, gezapft und mit Holznägeln gesichert. Stellenweise wurden Sparren und Konstruktionshölzer wohl um 1900 bei DG-Ausbau ausgetauscht, rindensichtig.

Dachdeckung mit älteren Bibern. Breite Schleppgaupe für Belüftung des 2. DG.

Türen und Fenster: Die Türen im EG sind breitangelegte Brettertüren mit Kastenschlößern und Beschlägen aus der 2. Hälfte des 19. Jh. Im OG hochrechteckig gefelderte Türen mit Beschlägen und Kastenschlössern, um 1900. Im EG stellenweise Kreuzstockeinfachfenster mit Winkeleisenbeschlägen; sonst neuere Fenster (zum Teil vergrößert).

 

Erhaltungszustand:

Aktuelle Beschädigung: Der Abriß des ursprüngl. Kellers, des jüngeren Abortanbaus und der Stallerweiterung, 1995, bedeutet einen unwiederbringlichen Verlust an historischen und volkskundlichen Qualitäten. Bedauerlich ist dieser Vorgang vor allem, da er wohl nicht auf Baufälligkeit, sondern auf Mutwillen zurückzuführen ist. Beim Abriß wurde die Dachhaut des bewohnten Hauses aufgerissen. Der Bereich der nördlichen Balkenauflager und Sparrenfüße war daher der Witterung ausgesetzt. Das Fallwasser der Dachfläche drang an dieser Stelle in das Gebäude ein, was dem Verfall des Hauses zuträglich ist. Die Reparatur wurde vom Hausbewohner und nicht vom Verursacher durchgeführt. Die Hausöffnung zur Stallerweiterung wurde primitiv vermauert. Wie die Oberfläche des Geländes und restlicher Bauschutt zeigt, wurde der Boden für die Zerstörung des Kellers, des Aborts und der Stallerweiterung bis an Fundamente des Hauses tief aufgegraben. Eine Gefährdung des Gebäudes durch Setzbewegungen des Bodens ist so nicht auszuschließen.

Ansicht von OstenSonstige Schäden: Aufgehendes Mauerwerk z.T. mit Feuchtigkeitsbelastung. An Hauptfassade, am rechten Traufansatz, geringe vertikale Rißbildung im Sandstein. Fachwerkgiebel mit Putzablösungen, wohl oberflächlichen Vermorschungen und Schädlingsbefall. Der Dachstuhl ist wohl nicht einsturzgefährdet: Tragende Konstruktion mit Verstrebungen ist intakt. Im ganzen Stuhl z. T. mittlerer Schädlingsbefall. Der kurzzeitige, aber massive Wassereintrag, der sich ins EG ergoß, wird dem Befall zuträglich sein.

Stellenweise Vermorschung der Bretterdecken. Vermorschung der älteren Fensterrahmen; sonst Schäden durch mangelnden Bauunterhalt und Verschleiß.

 

Allgemeines Urteil: Eine weitere Instandsetzung des Gebäudes erscheint noch lohnenswert, jedoch muß die Dachhaut gesichert werden und der nördliche Untergrund vor dem Haus auf seine Festigkeit geprüft werden: gefährdet.

 

Quelle und Literatur:

Denkmalkartierung von 1995 - Marktgemeinde Schwanstetten, Autor M.A. Hermann Schubach

Denkmäler in Bayern, Bd. 5 - Mittelfr., hrsg. Michael Petzet, München 1986, S. 475

Gemeindearchiv Leerstetten, Nr. 602 (Eintrag Nr. 6)

Staatl. Vermessungsamt Schwabach: Grund- und Lagerbuch. Acta der königl. unmittelbaren Steuerkataster-Commission, 1886. Darin enthalten die Aufzeichnungen von 1821 (Schwand), bzw. 1832 (Leerstetten, Harm, Mittelhembach, Furth)

StAN (Staatsarchiv Nürnberg), LRA Schwabach, Bauakten Teil I, Nr. 2840

StAN, LRA Schwabach, Bauakten Teil I, Nr. 2857

Weitergehende Informationen finden Sie unter:Literaturverzeichnis

Schwanstetten im Januar 2010, ergänzt im Juni 2023

Alfred J. Köhl