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Vom Bader zum Friseur

Nach dem Untergang des Römischen Reiches (ca. 476 n.Chr.) und dem unerbittlichen Feldzug der christlichen Kirche gegen die antike Badekultur setzte allmählich auch der Niedergang des öffentlichen Badewesens ein. Erst mit der Ausbildung eines mittelalterlichen Stadtwesens im 12. Jhd., den Erkenntnissen und Erfahrungen der Kreuzfahrer in den orientalischen Badehäusern (Hamam) und dem Aufstieg des Bürgertums, entwickelte sich eine städtische Kultur und damit ein neues Badewesen. Es entstanden wieder öffentliche Badestuben, die sich schnell zu Zentren mittelalterlicher Geselligkeit entwickelten.


Baden war mit das größte Vergnügen, das die Menschen im Mittelalter genießen konnten. Die wenigsten konnten sich aber ein eigenes Bad leisten, und so wurden öffentliche Bäder eingerichtet. Hier wurde nicht nur Körperpflege betrieben und kuriert, hier war auch ein Ort des Vergnügens, und so stand manchmal auch das Treiben in den Badehäusern am Rande der Gesellschaft.
 Nachdem die antike Badekultur mit dem Römischen Reich untergegangen war, wurde schon im 6. Jahrhundert in der „Lex baiovariorum“ wieder ein „Balnearius“ erwähnt, ein Bader also. Durchgängig belegt sind in Mitteleuropa Badestuben seit dem 12. Jahrhundert. Jede größere Siedlung hatte mindestens ein öffentliches Badehaus aufzuweisen.

 


Öffentliche Badestuben waren eine unentbehrliche Einrichtung. Die schwere Kleidung, der Mangel an Leibwäsche, die primitiven Wohnverhältnisse und die Verbreitung von Ungeziefer trugen wesentlich dazu bei, dass Badestuben nicht nur in größeren Städten, sondern auch in kleinen Pfarrdörfern, so wie auch seit 1490 im Markt Schwand, anzutreffen waren.

Ferner suchte man im Mittelalter nicht nur die Seele in der Beichte von Sünden zu reinigen, sondern auch bei jedem Gang zur Kommunion vor Gott mit gereinigtem Leibe zu erscheinen.
Man nahm darum vorher ein warmes Bad. Diese Sitte setzte sich auch in der evangelischen Kirche bis zum 19. Jahrhundert fort.

Und wenn in den Jahren danach schon nicht gebadet wurde vor dem Gottesdienst, so musste der Bader zumindest den Bart und die Haare schneiden.
 
Gebadet wurde also vor wichtigen Anlässen und Feiertagen, aber manchmal auch während der Woche. Darüber hinaus gab es eine Vorschrift, sich heiß zu baden, wenn man von einer größeren Reise zurückkam, um das Einschleppen von übertragbaren Krankheiten zu vermeiden.
Hierzu das Kapitel über das Badehaus von Schwand in: „Eine Nacht in Swant


 In der Badestube

Die Badestuben dienten zunächst nur der Körperreinigung, entwickelten sich aber bald zu Kommunikations- und Vergnügungsstätten (ca. 13. – 14. Jh.). Dort traf man sich, um sich auszutauschen. Es wurde aber auch gegessen, getrunken und musiziert. Je nach Wannengröße badete man zu zweit oder mit bis zu fünfzehn Personen beiderlei Geschlechts in großen Wannen. Das Wasser wurde in einem holzbetriebenen Glühofen erhitzt, der außerdem für heißen Dampf sorgte, ähnlich wie im heutigen Dampfbad. Daneben dienten die mittelalterlichen Badestuben auch der Gesundheitsförderung. So wurden dem Wasser zur Behandlung von Hautkrankheiten unter anderem Kräuter und wohlriechende Essenzen beigemischt. (siehe hierzu das Gedenkkreuz der Badersfrau in Leerstetten, „die mit Wacholderöl handelte“).




 

Das Setzten von Blutegeln gehörte ebenso zum Angebot wie Salben gegen Kopf- und Zahnschmerzen, und sogar kleine chirurgische Eingriffe wurden hier durchgeführt. Die Bedürfnisse der Badegäste nach kulinarischen und alkoholischen Genüssen, amourösen Abenteuern und Glücksspielen riefen bald die Kirche auf den Plan, die daraufhin ein Verbot für das gemeinsame Baden von Männern und Frauen erließ (ca. 15. Jh.).


 
Der Samstag war traditioneller Badetag, daneben hatten die Bader meist auch dienstags und donnerstags Erlaubnis, ihre Öfen zu schüren. Die meisten waren schon auf dem Weg zum Bader nur mit Badhemd oder kurzer Hose bekleidet. Was benötigt wurde, führte man im Badsack mit sich, ein Utensil, das üblicherweise die Braut ihrem Zukünftigen zur Hochzeit schenkte.
Alles Übrige ließ man aus Angst vor Diebstahl zu Hause, obwohl im Umkleideraum, der „Abziehstube“, eine Badhüterin auf die abgelegten Kleider aufpasste. Nachdem die Badegäste sich entkleidet und den obligatorischen Badehut aus Stroh aufgesetzt hatten, erschien der Bader oder einer seiner Gehilfen. Auch sie waren nur leicht bekleidet, mit einer Art Schurz, dem „Vortüchel“. Mit warmem Wasser, Schaben und Reiben wurde im Vorbad der gröbste Schmutz entfernt, dann ging es ins Schwitzbad. Hier ging es richtig heiß zu: Kieselsteine wurden aufgeschichtet und erhitzt, über die dann Wasser gegossen wurde. Die Gäste setzten sich auf Holzbänke unterschiedlicher Höhe, je nachdem, wie sehr man schwitzen wollte. Belaubte Zweige, oft mit Kräutern vermischt, schlugen sich die Gäste auf den Körper, um das Schwitzen noch mehr anzuregen. Das Schwitzen sollte die schädlichen Körpersäfte austreiben und vor allem vor der gefürchteten Lepra schützen.

 

 

Wer es sich leisten konnte, ließ sich zusätzlich massieren. Nach dem Schwitzbad begab man sich ins Wasserbad, das allerdings bedeutend teurer war als das Dampfbad - ein Vergnügen also, das sich nicht jeder leisten konnte.

So verbrauchte ein einziges Badehaus im Jahr etliche hundert Festmeter Holz.

 


Auch „Seelbäder“ gab es: fromme Stiftungen, die es auch Ärmeren ermöglichte, ein Badehaus zu besuchen. Statt den „Badepfennig“ zu zahlen, mussten sie für das Seelenheil des Stifters beten.

Wie verbreitet das Baden war zeigt sich auch darin, dass die Handwerker kein Trinkgeld bekamen, sondern Badgeld. Einige Handwerkszweige hatten auch das Recht auf die Badschicht: Sie durften am Samstag früher Feierabend machen, um ins Bad zu gehen - auf Kosten des Meisters.

Für die Kirche war das Badewesen ein Unwesen: Männer und Frauen gemeinsam in einer Wanne - wahrhaft skandalös! Die Bürger jedoch ließen sich den Badespaß nicht vermiesen: In ausgelassener Runde genossen sie so oft wie möglich die wohlige Wärme, allenfalls mit der „Badehr“ leicht bekleidet. Das war bei den Männern ein slipartiger Schurz, bei den Frauen eine leichte Schürze, die um den Hals gebunden wurde und den Rücken frei ließ.
Auch wenn städtische Obrigkeit und Kirche sich bemühten, Auswüchse des Badewesens einzuschränken: Im Badehaus wurde gescherzt, erzählt, getrunken und gegessen - nicht nur, was des Baders Küche hergab, sondern auch von zu Hause Mitgebrachtes. Der Bader und seine Angestellten verwöhnten die Gäste: Bademägde und kräftige Badeknechte bedienten und massierten in und an den Wannen, sorgten für Unterhaltung und assistierten dem Bader bei seinen Behandlungen. Dazu gehörte das Rasieren, Haare und Bart schneiden und waschen oder das „zur Ader lassen“, die Lieblingsbeschäftigung der Bader. Für sie war das Schröpfen die Haupteinnahmequelle. Je mehr Schröpfköpfe, desto teurer - die Leute wurden so im wahrsten Sinne des Wortes „geschröpft“. Doch nach dem medizinischen Verständnis dieser Zeit war es so etwas wie eine Art körperlicher Reinigung, die Befreiung des Leibes von verdorbenen Säften und Körperdünsten.


Der Kirchenvater Augustinus hatte geschrieben, ein Bad pro Monat sei unter dem Gesichtspunkt der Askese gerade noch mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren. Doch in unseren Breiten war Priestern, Mönchen und Nonnen das Betreten öffentlicher Badstuben verboten.


Die Menschen des Mittelalters badeten trotzdem, immer wieder und teilweise stundenlang. Viele Ärzte empfahlen daher, Erholungspausen einzulegen. Zu diesem Zweck hatten manche Badehäuser auch Ruheräume mit Betten. Findige Bader nutzten diese Räume für einen zusätzlichen „Nebenverdienst“: Sie betätigten sich als Zuhälter oder ließen zu, dass ihre Bademägde sich für Liebesdienste bezahlen ließen.


Das Ende der mittelalterlichen Badehäuser

Mit dem Ende des Mittelalters begann der Abstieg der öffentlichen Badehäuser. Immer schärfere Reglementierungen, der Einfluss der Reformation mit ihrem neuen Sittlichkeitsverständnis und nicht zuletzt die Syphilis führten dazu, dass gegen Ende des 16. Jahrhunderts fast nirgendwo im deutschsprachigen Raum mehr ein öffentliches Badehaus existierte.
Im 14. und 15. Jahrhundert breiteten sich in den mittelalterlichen Städten die Pest und andere Seuchen, wie Syphilis und Cholera, aus. So wurde das Baden mit mehreren Personen gemieden und es verbreitete sich der Gedanke, dass Wasser grundsätzlich eine gesundheitliche Gefahr für den Körper darstellt.
Außerdem setzte sich bei den Ärzten die Meinung durch, das Baden sei nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich.
Hierzu eine medizinische Abhandlung aus der Mitte des 17. Jh.:
„Wasser dringe in den Körper ein, vermische sich mit den Körpersäften und führe so zu Krankheiten.
Das Baden ist, außer aus dringenden medizinischen Gründen, nicht nur überflüssig, sondern auch sehr schädlich für die Menschen.
Das Baden hat eine zerstörerische Wirkung auf den Körper und macht ihn durch das eindringende Wasser für die Einwirkungen der schlechten Eigenschaften der Luft empfänglich.
Das Baden füllt den Kopf mit Dämpfen, ist ein Feind von Nerven und Sehnen, es tötet die Frucht im Leib der Mütter.“

Die neue Aufgabe der Bader
 
Die Bader mussten somit ihre Badestuben schließen. Das öffentliche Moralempfinden stieß sich am nackten Treiben, und auch die Konkurrenz durch Ärzte nahm zu. Die studierten Mediziner sahen in den Badern nur halbgebildete Amateure, obwohl auch diese eine fundierte Ausbildung hatten: sechs Jahre des Lernens und Wanderns, gefolgt von einer kostspieligen Prüfung.
Da die „Ärzte“ den Kontakt mit Blut scheuten, blieb den Badern so die „kleine Chirurgie“ überlassen, also das Versorgen von Wunden oder das Einrichten von Brüchen. Eine Badestube war gleichzeitig Notfallambulanz und stellte die medizinische Grundversorgung sicher: Bader waren verpflichtet, jedem zumindest Erste Hilfe angedeihen zu lassen. Aus diesem Grund hatten die Badehäuser auch einen besonderen rechtlichen Status: Wie Kirchen und Friedhöfe hatten sie das Recht der „Freyung“. Personen, die sich in ihren Bereich geflüchtet hatten, durften nicht verfolgt werden.


Dazu kamen steigende Holzpreise und zusätzlich die Angst vor der Syphilis. Die meisten Badestuben gerieten in Existenznot. Die Reichen richteten sich Bäder in ihren Häusern ein, die Armen entdeckten Flüsse und Seen als „Wildbäder“.

Die letzten Badehäuser waren aber immer noch beliebt: So kämpften 1607 die Anwohner des „Irrerbads“ am Nürnberger Weinmarkt für den Erhalt ihres „aignen badstübleins“: „Das Bad wäre nicht nur für die Nachbarn unentbehrlich, auch die Fuhrleute seien darauf angewiesen. Dazu kam, dass das warme Wasser aus dem Bad über die Gassen abfloss. Im Winter hatte man so eine eisfreie Straße. Dass die Gasse manchmal aussah, als wann sie „geferbt wehr“, störte wenig. Auch dieser Bader verdiente offenbar prächtig daran, seine Kunden „zur Ader zu lassen!“


Anstelle der bis dahin üblichen Körperhygiene entstanden neue Praktiken. Der Körper wurde trocken abgerieben, parfümiert und gepudert und nur noch Teilwaschungen, wie z.B. von Gesicht, Händen und eventuell sogar den Füßen, wurde praktiziert. Fast zwei Jahrhunderte lang geriet das Badevergnügen in Vergessenheit.


Zum Baderhandwerk gehörten auch ärztliche Aufgaben. Studierte Ärzte und Apotheker gab es lange Zeit nur in den großen Städten, wie z.B. in Nürnberg, Augsburg und Regensburg. Ab etwa 1600 nimmt man Ärzte in Schwabach und Roth an, im Markt Schwanstetten erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Es war die Pflicht des Baders, mit "scheren, zwangen (massieren), reiben, schröpfen“ sich nützlich zu erweisen oder auf den Schwitzbänken den Kranken Schwitzkuren zu gewähren.

Der Bader als "Landarzt" der kleinen Leute

Insbesondere für die Bevölkerung auf dem Land war der Bader in dieser Zeit ein wichtiger Mann. Die medizinische Versorgung wurde erst im 19. Jahrhundert spürbar besser. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nahm die medizinische Wissenschaft allmählich den Kampf auf gegen „Kurpfuscher und dergleichen“ auf. Etwa hundert Jahre später ging die Gesundheitspflege dann endgültig an die Landärzte über.

Bis die Quacksalberei aber insgesamt ein Ende fand, dauerte es allerdings noch einige Zeit. Noch die "Medizinische Topographie und Ethnographie“ die die Amtsärzte im Jahr 1861 für ihre Landgerichtsbezirke erstellen mussten, berichtet uns von Amuletten. Dabei handelte es sich um Anhänger, die ihren Trägern Schutz und Kraft verleihen sollten. Man trug sie um den Hals oder in die Kleidung eingenäht zur Abwendung von Krankheiten. Die Bauern im Schwabach-Rother Raum kannten noch im 19. Jahrhundert Schwalbennester als Heilmittel gegen Diphtherie, den Saft des ausgepressten Pferdemistes gegen Koliken, Hundefett gegen Tuberkulose sowie geröstete und danach pulverisierte Maulwurfköpfe gegen Bettnässe. (siehe hierzu auch: Elisabeth Engelhardt: Ein Bauernjahr).

Im Gegensatz zum Barbier, der häufig etwas ganz ähnliches tat, nicht aber an seine Scherstube gebunden war, durfte der Bader seine Praxis ehemals nur in der Badestube ausüben. Doch langsam entwickelte sich dieser Beruf in Ermangelung der alten Örtlichkeiten immer mehr zu einer Art ländlichem Volksarzt zweiter Klasse. Und wenn er geschickt war, macht er den ausgebildeten Wundärzten unliebsame Konkurrenz. Der Bader behandelte Brüche und Verrenkungen, kuriert Wunden und Geschwüre, zog Zähne und schient die gebrochenen Glieder. Er setzt Schröpfköpfe und nimmt den Aderlass vor, er besieht Aussätzige und Erschlagene und versorgt die Leichen.

Für ihre Ausbildung gab es jedoch noch keine Schulen, sie erlernen ihren Beruf voneinander wie ein Handwerk. Die besseren unter ihnen nannten sich bald „Chyrurgus“ (vom griech. = Handwerk) und in stetiger Kleinarbeit verbesserten sie ihr Ansehen. (siehe hierzu den Artikel über die Bader als „Ausgestoßene“)


Quelle und Literatur:
G-Geschichte, 2/2008 – In der Badstube
Elmar M. Lorey: Der Beruf des Baders
Emil Wachter: Auszug aus  “100 Jahre Landkreis Schwabach”
 
Schwanstetten im März 2017
Alfred J. Köhl